Eine Gaststätte mit langer Tradition
Eine der drei Gaststätten, die es früher in Mittelneufnach gab, war die Gastwirtschaft Zum Löwen. In der Serie „Wirtshausgeschichte(n)“stellen wir ehemalige Lokale aus dem Augsburger Land vor.
Ob urige Brauwirtschaft oder edles Café: In der Serie „Wirtshausgeschichte(n)“lassen wir die Historie ehemaliger Lokale im Augsburger Land wieder aufleben.
In der Dorfchronik von Mittelneufnach heißt es: „Wenn jemand eine Ansprache suchte, dann konnte er ins Gasthaus gehen. Dort traf er immer jemanden und konnte mit ein paar Bier gegebenenfalls seine Sorgen hinunterspülen.“Damit wird treffend beschrieben, dass früher eine Gaststätte ein wichtiger gesellschaftlicher Treffpunkt im Dorf war. Resi Dieminger war ab 1951 die Wirtin der Gaststätte Zum Löwen in Mittelneufnach, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Hugo 35 Jahre lang betrieb. Zuvor hatte bereits ihr erster, früh verstorbener Ehemann Martin Bichler die Gaststätte gepachtet.
Da die Pächterin Resi Dieminger und ihr Mann Hugo mittlerweile verstorben sind, berichtet ihr Sohn Peter Dieminger von längst vergangenen Zeiten: „Das Gasthaus hatte täglich geöffnet. Bereits vormittags begann der Frühschoppen – auch wochentags –, und zum Mittagessen kamen in der Regel Handwerker und Durchreisende. Nachmittags trafen sich dann die ersten Männer zum Kartenspielen, später gab es einen Dämmerschoppen und am Wochenende Abendessen.“Das Gasthaus war auch Heimat der Ortsvereine, es gab eine Schießanlage und eine Kegelbahn. Hochzeiten wurden im Saal im ersten Stock des Gebäudes gefeiert und Gäste nach Beerdigungen sowie Erstkommunionen bewirtet.
Viele Geschichten kann Peter Dieminger erzählen, da er bereits als Kind in der Gaststätte mithalf. Er erinnert sich an rauschende Faschingsbälle im Saal, bei denen Gäste oft bis 5 Uhr in der Früh gefeiert haben. „Der harte Kern der Gäste ist einfach sitzen geblieben und hat mit dem Frühschoppen weitergemacht.“Auch als Kino fungierte der Saal der Gaststätte, in dem ein paarmal im Jahr vom damaligen Volksbildungswerk Filme gezeigt wurden. „Ich habe die Gaststätte immer als Treffpunkt und Ort der Kommunikation empfunden“, beschreibt es Dieminger, und in der Chronik wird seine Mutter als Resl und als geduldige Zuhörerin für die Gäste beschrieben.
Neben Melkkursen für Landwirte in den 50er-Jahren fanden in der Gaststätte Unterrichtsstunden der Fahrschule und Erste-Hilfe-Kurse statt, es gab Theateraufführungen, zeitweise wurden die TÜV-Abnahmen für landwirtschaftliche Maschinen durchgeführt, und sogar Notartermine wurden im Gasthaus abgehalten. Es gab viele Stammgäste, und vor allem der Stammtisch war das Zentrum. Auch zur Übermittlung von Nachrichten fungierte das Gasthaus. „Wir hatten damals bereits im Vergleich zu vielen Privathäusern in Mittelneufnach ein Telefon. Als Kind musste ich dann durch das Dorf laufen und die Nachrichten, die telefonisch in der Gaststätte übermittelt wurden, an die Empfänger überbringen“, sagt Peter Dieminger.
Gut erinnert er sich auch an den Winter 1978. Aufgrund der starken Schneeverwehungen konnten die Gäste nicht mehr nach Hause fahren und mussten daher auf der Eckbank im Gastraum übernachten. Auch als Nachtquartier für die Soldaten des Bundesgrenzschutzes diente die Gaststätte. „Als Kind war ich erstaunt, als ich sah, wie die Soldaten einfach die Tische umgedreht auf den Boden legten und dann darauf geschlafen haben.“
Für die Kühlung der Getränke gab es früher im Hof des Gasthauses Zum Löwen einen sogenannten
Eisgalgen. Peter Dieminger erklärt, dass auf ein neben der Wirtschaft frei stehendes Holzgebälk im Winter Wasser gespritzt worden sei. Durch den Frost ist daraus ein rund drei Meter hoher Eisberg gewachsen, der dann abgetragen und das Eis in den Eiskeller gebracht wurde. „Als Kind musste ich dann im Sommer immer Eis aus diesem Keller holen und in einen Behälter in der Theke schütten, in dem dann die Getränke gekühlt wurden.“Profitiert hat das Gasthaus auch vom breiten Einkaufsangebot in der Nachkriegszeit und dem damaligen Güterbahnhof in Mittelneufnach. Viele kehrten nach ihren Einkäufen dann noch in der Gaststätte Zum Löwen ein.
Aufgehört haben Resi Dieminger und ihr Mann mit der Bewirtschaftung im Juni 1986. Für ihren Sohn Peter kam eine Übernahme der Pachtwirtschaft nicht infrage, da er bereits einen anderen Beruf erlernt hatte und für ihn die Zukunft der Gaststätte ungewiss war. Nachdem die Traditionsgaststätte noch von vier weiteren Pächtern betrieben worden war, schloss sie im Jahr 2005.
Das Gebäude ist mittlerweile in Privatbesitz.
Nach dem Einkauf kehrte man im Wirtshaus ein.
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