Im Kreistag wird der Freistaat abgewatscht
Der Problem-Haushalt 2024 für den Landkreis Augsburg ist mit einem extremen Sparkurs beschlossen: Es hagelt Kritik an der bayerischen Ausgleichspraxis.
Es war ein Kraftakt, einen ausgeglichenen Haushalt auf die Beine zu stellen. Denn vor Monaten klaffte noch ein Millionenloch in der Landkreis-Kasse. Es wurde gestopft, was in der Aussprache im Kreistag reihum der zielorientierten Zusammenarbeit zugeschrieben wurde. Gleichzeitig gab es scharfe Kritik am Freistaat.
Der Landkreis zahle den fehlenden Ausgleich durch den Freistaat mit neuen Schulden, sagte der Vorsitzende der CSU-Fraktion, Lorenz Müller. „Der Freistaat muss endlich die tatsächlichen Kosten erstatten, die bei der Erfüllung staatlicher und übertragener Aufgaben entstehen“, sagte Silvia Daßler. Eine Gegenüberstellung von tatsächlichen und erstatteten Kosten habe gezeigt, dass der Landkreis auf hohen Kosten sitzen bleibt.
Laut Landrat Martin Sailer betrug die Differenz in einer im Jahr 2022 überschlagenen Momentaufnahme rund 16 Millionen Euro. Silvia Daßler forderte: „Wenn Verhandlungen hierüber zu keinem vertretbaren Ergebnis führen, muss an weitere, auch rechtliche Schritte gedacht werden.“Als Beispiel nannte sie die Kreiskliniken Günzburg-Krumbach: Sie hätten sich nicht gescheut, gegenüber Bundesgesundheitsminister Lauterbach Schadensersatzforderungen zu stellen.
Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Fabian Wamser wünschte sich, dass der Freistaat mehr in die Verantwortung genommen wird. Thomas Bauer, der stellvertretende AFD-Vorsitzende, forderte den Landrat auf, die Kosten-Gegenüberstellung nach München zu schicken. Gabriele Olbrich-Krakowitzer als Sprecherin der Ausschussgemeinschaft wollte die Landtagsabgeordneten im Kreistag in die Pflicht nehmen, sich für eine Problemlösung einzusetzen.
Landrat Sailer war schon bei der ersten Vorstellung des Haushaltsentwurfs, als das 36-MillionenLoch aufklaffte, mit dem Freistaat hart ins Gericht gegangen. Sailer: „So wie bisher wird das nicht mehr funktionieren. Der Freistaat muss nachsteuern.“Der Landkreis ziehe sogar einen Rechtsstreit in Betracht. Ob es tatsächlich so weit kommt?
Das scheint nicht ausgeschlossen, denn auch die kommenden Jahre werden für den Landkreis herausfordernd. Das bestätigte Kreiskämmerin Heike Seyberth, als sie die Eckdaten des ausgeglichenen Haushalts vorstellte. Auch in den kommenden Jahren wird der Landkreis ein ungedecktes Defizit haben. Trotzdem sei es wichtig, dass sich der Landkreis einen finanziellen Spielraum verschafft, so Seyberth.
Doch der lässt sich nur über einen weiteren Sparkurs erreichen. Man müsse etwa im Hinblick auf den ÖPNV und die dortige Kostenexplosion ebenso ehrlich sein, wie man auf Landes- und Bundesebene
den „Bürokratismus“kritisieren und die Finanzierung der übertragenen Aufgaben einzufordern habe, erklärte CSU-Vorsitzender Lorenz Müller. „Wir gehen einen geradlinigen Weg in die Zukunft. Aber so wird es auf Dauer nicht weitergehen“, sagte er. Er plädierte für Ehrlichkeit. „Wir müssen auch gegenüber den Bürgern eine klare Sprache finden. Nicht alles wird in der jetzigen Form weiterhin finanziert werden können. Eigenverantwortung muss wieder zur Leitlinie der öffentlichen Hand werden.“Silvia Daßler von den Grünen wagte ebenfalls einen Blick in die Zukunft und fragte: „Wie geht es weiter mit dem ÖPNV, mit der Mobilitätswende, die für den Klimaschutz so wichtig ist? Wie können soziale, kulturelle Errungenschaften und Projekte in Zukunft erhalten, fortgeführt und wo nötig weiterentwickelt werden? Wie geht es weiter mit der Gesundheitsversorgung und den Krankenhäusern im Landkreis?“
Die Wertachkliniken mit ihren beiden Standorten in Schwabmünchen und Bobingen hatte auch Melanie
Schappin, die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Kreistag, im Fokus. Es müsse auf ein zukunftsfähiges Konzept hingearbeitet werden. Schappin watschte im selben Atemzug Gesundheitsminister Lauterbach ab: In Berlin werde zugeschaut, wie immer mehr Krankenhäuser auf dem Land schließen. Aber Cannabis erhalte höchste Aufmerksamkeit. „Wir dürfen nicht auf Berlin warten“, sagte Fabian Wamser. Er schnitt damit weitere Weichenstellungen für die Zukunft der Wertachkliniken an. Im Gespräch ist ein gemeinsames Haus an einem Standort. Wamser sagte, dass nicht nur das Defizit der Wertachkliniken ausgeglichen, sondern auch weiter investiert werden müsse. Die Gesundheits- und Kliniklandschaft befinde sich allgemein in einem „dramatisch negativen Wandel“.
Bei allen bevorstehenden Herausforderungen seien mutige Entscheidungen gefragt, sagte Landrat Martin Sailer. In Zukunft werde weiterhin der Akzent auf die Bildung gesetzt. In diesem Jahr werden rund 48 Millionen für die Schullandschaft investiert. „Das ist ein echtes Pfund“, sagte Sailer. „Wir sind von diesem Weg überzeugt und werden ihn auch weitergehen.“
Nicht alles kann momentan finanziert werden.