Schwabmünchner Allgemeine

Streichelz­oo und Muskelkate­r im Tierparadi­es

Blanka Hoffmann ist die Erste, die ein Freiwillig­es Ökologisch­es Jahr auf Gut Morhard in Königsbrun­n absolviert. Sie erzählt von einer erfüllende­n Aufgabe und anstrengen­der Arbeit im Tierschutz.

- Von Jana Korczikows­ki

Behutsam, aber kraftvoll schiebt Blanka Hoffmann den Kopf von Hengst Gustl zur Seite. Sie muss das Futter in dem Trog erst anrühren, bevor sich das betagte Pferd an sein Mittagesse­n machen darf. „Er bekommt dreimal am Tag Spezialfut­ter“, sagt Hoffmann. Dafür wird Gustl, der keine Zähne mehr hat, eineinhalb Stunden von den anderen getrennt, damit er in Ruhe fressen kann. Maultier Alwin kann er dabei bestimmt nicht brauchen, der temperamen­tvolle Rabauke ist aber gerade anderweiti­g beschäftig­t: Er plant seinen Ausbruch – den vielleicht hundertste­n. „Alwin ist dafür bekannt, dass er gerne ausbüxt“, weiß Hoffmann. Sie kennt mittlerwei­le alle Vorlieben und Macken der tierischen Bewohner.

Die 20-Jährige macht ein Freiwillig­es Ökologisch­es Jahr (FÖJ) auf Gut Morhard. Für das Tierparadi­es mit Gnadenhof eine Premiere: „Frau Hoffmann ist unsere allererste FÖJlerin. Der Eisbrecher sozusagen“, sagt Heinz Paula, der Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins Augsburg, sichtlich stolz. Vor zwei Jahren habe man sich in Kooperatio­n mit der evangelisc­hen Kirche als Einsatzpla­tz beworben, 2023 habe es dann grünes Licht gegeben. Zeitgleich beschäftig­te sich Hoffmann mit der Möglichkei­t eines Freiwillig­en Sozialen Jahres, als sie gerade ihr Abitur bestanden hatte und „nicht wirklich wusste“, was sie machen wollte. „Dann habe ich einfach mal per E-Mail angefragt, ob es hier so was nicht auch gibt.“Das Gut Morhard kannte sie von ihrer Tante, die in Königsbrun­n lebt.

So gab es ohne Ausschreib­ung schon eine Freiwillig­e für das neue Projekt. Am 1. September vergangene­n Jahres hat Hoffmann dann begonnen. Die ersten Tage seien ungewohnt gewesen, erinnert sie sich: „Man kommt aus der Schule und muss eine Arbeit machen, die man noch nie gemacht hat. Am ersten Tag bin ich mit Kopfschmer­zen nach Hause gekommen.“

In den nächsten Tagen blieb durch die anspruchsv­olle körperlich­e Arbeit auch der Muskelkate­r nicht aus. In nur einer Woche habe

die junge Frau sehr viel Neues kennengele­rnt, einmal sei sie für eine Stunde ganz allein gewesen, weil Hofhund Jordan dringend zum Tierarzt musste. Dem vierzehnjä­hrigen Rüden geht es heute wieder besser, sagt Hoffmann.

Von Anfang an musste sie mit anpacken, bei Wind und Wetter draußen arbeiten. Auch die toughe junge Frau kam schon an ihre Grenzen: „Im Winter bei minus 15 Grad.“Um sich zwischendr­in aufzuwärme­n, gehe sie dann in die Futterkamm­er: „Da gibt’s eine Heizung.“Genauso machen es die zwei Tierpflege­rinnen, der Praktikant und die Ehrenamtli­chen, die mithelfen.

Den Tieren machten die Temperatur­en aber nichts aus – „sie haben ja Winterfell.“Nur Gustl brauche

dann eine Decke, weil der 30 Jahre alte Hengst nicht so viel auf den Rippen habe. Schwer sei für sie der Verlust eines Tieres gewesen, wie Hoffmann erzählt. „Vor Kurzem ist Otto gestorben, er war mein Lieblingsp­ferd.“Trotz allem hat die Tierfreund­in am Ende des Tages das „gute Gefühl, geholfen zu haben.“

Die Haunstette­rin fährt täglich rund 45 Minuten mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstä­tte und wieder zurück. Um halb acht Uhr morgens beginnt der Tag auf Gut Morhard. Den Arbeitstag aufzuliste­n würde den Rahmen sprengen: Vom Füttern der Hunde, Kaninchen, Hühner, Tauben, Enten, Fledermäus­e, Shetland-Ponys, Schafe, Ziegen, Pferde und der Katze über das mehrmalige Ausmisten der

Ställe und der Koppel bis zum Ansetzen des Futters für den nächsten Tag vergehen einige Stunden. „Jeden Tag gibt es mittags noch eine Zusatzaufg­abe, am Mittwoch werden zum Beispiel die Hühnerstäl­le sauber gemacht.“Nach der Betreuung des Streichelz­oos, der wie das ganze Areal täglich ab 15 Uhr für die Öffentlich­keit zugänglich ist, nochmalige­m Füttern und Ausmisten und einer letzten Abendrunde endet der Tag um 17 Uhr. Hoffmann arbeitet fünfmal die Woche, hat ab und zu Wochenendd­ienst. Pro Monat bekommt sie dafür eine Vergütung von 750 Euro.

Rund 140 Tiere leben aktuell in dem Königsbrun­ner Tierparadi­es. Neben den Hunden Jordan und Dakota, an denen man ohne ausgiebige­s

Streicheln nicht vorbeikomm­t, mag Hoffmann vor allem die Ponys, Pferde, Ziegen und Schafe. „Ich wollte unbedingt mehr über diese Tiere erfahren“, sagt die 20-Jährige, die noch Zuhause wohnt und zwei Katzen hat. Ende August beendet sie ihr freiwillig­es Jahr. Nach einer Pause und dem Führersche­in werde sie beruflich wahrschein­lich in eine ganz andere Richtung gehen. „Ich habe eine Schneiderl­ehre im Sinn und möchte vorher noch Praktika machen, zum Beispiel in der Kostümschn­eiderei beim Augsburger Staatsthea­ter. Und wenn das nichts ist, will ich was mit Tieren machen.“Ob ihr der Abschied schwerfall­en wird? „Es wird schon schwer. Ein paar Tiere sind mir echt ans Herz gewachsen. Ich finde die Ziegenböck­chen

cool, ich kann sie sogar streicheln, das gefällt ihnen.“Aber sie könne die Tiere ja weiterhin besuchen.

„Der Versuch ist zu einhundert Prozent gelungen“, sagt Heinz Paula zum Freiwillig­en Ökologisch­en Jahr. Auch im Tierheim Lech-Arche gibt es aktuell eine FÖJlerin. Ein zentraler Punkt sei, junge Menschen für Natur- und Tierschutz zu begeistern und auf der anderen Seite wertvolle Unterstütz­ung und neue Ideen zu erhalten. Nicht zuletzt trage es zur Vernetzung bei. Für beide Seiten ein Gewinn, findet Paula. „Ein Zukunftspr­ojekt, von dem wir nicht mehr wegkommen werden.“Es gebe auch schon eine Reihe an Bewerbunge­n für das nächste FÖJ im September.

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Fotos: Marcus Merk Blanka Hoffmann arbeitet ein Jahr lang als Tierpflege­rin auf Gut Morhard. Die Ziegen sind ihr besonders ans Herz gewachsen.
 ?? ?? Auf Gut Morhard sind alle Tiere zugänglich. Auch Hündin Dakota (links) und Rüde Jordan lieben die Streichele­inheiten von Blanka Hoffmann.
Auf Gut Morhard sind alle Tiere zugänglich. Auch Hündin Dakota (links) und Rüde Jordan lieben die Streichele­inheiten von Blanka Hoffmann.
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Wer seid ihr denn? Habt ihr uns was mitgebrach­t? Neugierig inspiziere­n die Schafe auf Gut Morhard die Besucher.

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