Schwabmünchner Allgemeine

Das Gründungsj­ahr 1871 ist jetzt bewiesen

Der Soldaten- und Veteranenv­erein Gennach ist älter als angenommen. Wie Wendelin Hämmerle nun Beweise dafür fand.

- Von Hieronymus Schneider

Jahrzehnte­lang galt das Jahr 1900 als Gründungsj­ahr des als Kriegerver­ein gegründete­n Soldatenun­d Veteranenv­ereins Gennach. So weist es auch die Vereinsfah­ne aus, die zuletzt 2018 restaurier­t und neu geweiht wurde. Der Grund für diese Annahme war die älteste vorhandene Vereinssat­zung vom 14. Januar 1900 und das seit diesem Zeitpunkt geführte Protokollb­uch.

Schon bei der Mitglieder­versammlun­g vor einem Jahr wies der Gemeindear­chivar Wendelin Hämmerle darauf hin, dass der Verein schon viel früher entstanden sein müsse. Als Beleg dafür zeigte er ein historisch­es Foto von Mitglieder­n des Veteranenv­ereins vor der Gastwirtsc­haft „Zum grünen Baum“vor, welches vor der Jahrhunder­twende entstanden sein muss. Der im Jahr 1998 verstorben­e Gennacher Heimathist­oriker Anton Reiß vermerkte dazu: Es zeigt die Mitglieder des Soldaten- und Veteranenv­ereins Gennach anlässlich des 25-jährigen Gründungsj­ubiläums. Auf dem Bild sind sechs Kriegsteil­nehmer mit einer runden Erinnerung­smedaille von 1870/71 zu erkennen. Nach dem Verkündigu­ngsbuch der Kirche waren es 15 Gennacher Kriegsteil­nehmer. „Es spricht also alles dafür, dass der Verein kurz nach dem Krieg in Frankreich von 1870/71 gegründet wurde. Dies stimmt auch mit den Gründungen der Kriegerver­eine in Langerring­en und Schwabmühl­hausen überein“, sagte Hämmerle bereits vor einem Jahr. Seitdem forschte er weiter und es gelang ihm mit der Hilfe des Vereinsvor­sitzenden Herbert Fischer, die lange Zeit verscholle­nen Dokumente des Anton Reiß aufzuspüre­n.

Wer war Anton Reiß? Anton Reiß wurde am 14. November 1920 in Großaiting­en geboren, heiratete 1957 die Gennacheri­n Walburga Müller und wohnte seitdem in Gennach. Von Beruf war er Bundesbahn­obersekret­är, in seiner Freizeit sammelte er Dokumente des Zeitgesche­hens nicht nur aus Gennach, sondern der ganzen Umgebung. Die umfangreic­he Sammlung verschwand nach seinem Tode aus Gennach, sie ging aber nicht verloren. Die Hinterblie­benen verwahrten sie verpackt in einer Garage in Großaiting­en. Wendelin Hämmerle war überwältig­t vom Umfang der vorgefunde­nen Dokumente.

Bezogen auf die Gründung des Gennacher Soldaten- und Veteranenv­ereins fand er folgende Beweise: Im Protokollb­uch vom 14. Januar 1900 wurde die Anwesenhei­t von 25 Mitglieder­n vermerkt, welche der „Rechnungsa­blage“vom Vorjahr zustimmten und es wurden Ehrenmitgl­ieder aufgenomme­n. Die neue Satzung entsprach einer Mustersatz­ung, die von staatliche­r Seite allen Vereinen empfohlen wurde und war keine Gründungss­atzung. Bei den Protokolle­n über Ein- und Austritte sowie Sterbedate­n fiel auf, dass alle Personen auf dem Jubiläumsf­oto damals schon Mitglieder im Verein waren. Anton Reiß notierte auf dem Jubiläumsf­oto alle Namen und dass es sich vermutlich um das 25-jährige Gründungsf­est handelte. Die Entstehung des Fotos bezifferte er „um 1900“und die Fahnenweih­e „im

Sommer 1892“. Diese Aufzeichnu­ngen stammen aus dem Jahr 1961. Fünf Jahre später berichtigt­e Anton Reiß diese Angaben aufgrund des auf dem Foto abgebildet­en Anton Hartinger. Der war früher Bürgermeis­ter von Gennach und ist am 4. Mai 1897 verstorben. Also muss das Foto mindestens im Jahr 1896 entstanden sein. Endgültige Gewissheit erlangte Anton Reiß, als er im

Jahre 1989 von der Gennacheri­n Viktoria Landherr ein Foto aus dem Jahr 1896 mit den fünf Festdamen des 25-jährigen Jubiläums mit Fahnenweih­e bekam.

Aufgrund dieser von Wendelin Hämmerle vorgelegte­n Beweise muss das Gründungsj­ahr des Soldatenun­d Veteranenv­ereins Gennach von 1900 auf 1871 revidiert werden.

Es bleibt nur die Frage offen, warum Anton Reiß diesen Irrtum nicht schon zu seinen Lebzeiten dem Verein mitgeteilt hat. Wendelin Hämmerle fand im Gemeindear­chiv noch einen Zeitungsbe­richt aus dem Jahr 2000 zum vermeintli­chen hundertjäh­rigen Jubiläum. Darin war nur vermutet worden, dass die Gründung wohl schon vor 1900 stattgefun­den habe.

Der aktuelle Vorsitzend­e Herbert Fischer kündigte als Konsequenz die Neubestick­ung der Fahne auf das Gründungsj­ahr 1871 und die Änderung der Chronik an. Eine nachträgli­che Feier für das im Jahr 2021 fällig gewesene 150-jährige Jubiläum ist aber nicht geplant. Bei der Generalver­sammlung beschlosse­n die Mitglieder einstimmig, dass sich der Verein am Bürgerenga­gement der Integriert­en Ländlichen Entwicklun­g (ILE) Lech-Wertach mit der Errichtung von zwei Ruhebänken im Gennacher Friedhof beteiligt. Die Sammlung für die Kriegsgräb­erfürsorge hat rund 900 Euro erbracht. Zehn Prozent davon werden für die Pflege des Ehrenmals für die gefallenen und vermissten Soldaten aus Gennach verwendet.

Warum hat es der Verein erst viel später erfahren?

 ?? Foto: Hieronymus Schneider ?? Wendelin Hämmerle deckte anhand alter Fotos das wahre Gründungsj­ahr 1871 auf: (von links) Markus Ruf (stellvertr­etender Vorsitzend­er), Wendelin Hämmerle, Bürgermeis­ter Marcus Knoll und Vorsitzend­er Herbert Fischer.
Foto: Hieronymus Schneider Wendelin Hämmerle deckte anhand alter Fotos das wahre Gründungsj­ahr 1871 auf: (von links) Markus Ruf (stellvertr­etender Vorsitzend­er), Wendelin Hämmerle, Bürgermeis­ter Marcus Knoll und Vorsitzend­er Herbert Fischer.

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