So teuer ist der Bahnstreik für die Firmen
Schon ein einziger Tag kann deutsche Unternehmen bis zu 100 Millionen Euro kosten. Wirtschaftsminister Robert Habeck verliert die Geduld. Der Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, lässt die Kritik abperlen.
Der Tarifstreit zwischen Lokführergewerkschaft GDL und Deutscher Bahn entwickelt sich immer mehr zum Risikofaktor für die Wirtschaft. Nach dem neuerlichen Streik soll sich der Personenund Güterverkehr an diesem Samstag allmählich normalisieren, doch der seit vielen Monaten schwelende Arbeitskampf der Lokführer hat Unternehmen eine Menge Geld gekostet.
Bei den meisten Bahnkunden ist der Geduldsfaden längst gerissen, und auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck macht aus seinem Unmut keinen Hehl. „Mein persönliches Verständnis ist jetzt wirklich an ein Ende gekommen. Da muss jetzt eine Lösung her. Und Lösung heißt jetzt, alle sind verpflichtet, ihre Interessen nicht zu sehr auf dem Rücken der Bevölkerung, der wirtschaftlichen Erholung auszutragen“, sagte der Grünen-Politiker auf Nachfrage unserer Redaktion. Schon an einem einzigen Streiktag kann dem Standort nach Schätzungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ein Schaden von bis zu 100 Millionen Euro entstehen. Wenn Güterzüge ausfallen, beeinträchtigt das direkt Lieferketten und damit auch die Produktion in vielen Betrieben.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft warnt vor den Kollateralschäden des zähen Tarifstreits. „Dieses Vorgehen einer
Spartengewerkschaft ist nicht mehr zu tolerieren. So kann es, insbesondere wenn öffentliche Infrastruktur betroffen ist, nicht mehr weitergehen“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Das Verhalten der GDL sei völlig überzogen und unverhältnismäßig. „In der Wirtschaft ist Planbarkeit ein wichtiger Faktor, der bei der Infrastruktur durch das Handeln der Gewerkschaft zunehmend verloren geht.“
Claus Weselsky setzt sich im Gespräch mit unserer Redaktion gegen die Vorwürfe zur Wehr. Der Chef der Lokführergewerkschaft sieht die Schuld für den eskalierten Konflikt bei der Bahn, die „von Anfang an eine mangelnde Einigungsbereitschaft“an den Tag gelegt habe. „Diejenigen, die nun den
Schaden des Streiks kritisieren, sollten sich an den Bahn-Vorstand wenden“, sagte Weselsky. Aus seiner Sicht vergeudet das Unternehmen „ohnehin Steuer-Millionen“.
Weselsky, dessen rustikale Art immer wieder Irritationen auslöst, sieht wenig Anlass zur Selbstkritik. „Wir sind zuletzt erneut von dem Konzern provoziert worden. Doch wir lassen uns nicht provozieren.“Die GDL habe sich als kompromissbereit erwiesen und angeboten, die Arbeitszeit im Schichtdienst für Lokführer schrittweise von 38 auf 35 Stunden zu verringern. Zum Vorwurf der Bahn, die Lokführer seien nicht einigungswillig, entgegnete er: „Das ist ein klares Gewerkschaftsbashing. Daraus spricht der Wille, die GDL kaltzustellen, weil die Gewerkschaft
seit Jahrzehnten erfolgreich Tarifpolitik betreibt.“
Eine Auflösung der verfahrenen Lage ist nicht in Sicht. Die Bahn lud Weselsky zu neuen Gesprächen am Montag ein. Er selbst stellte ein neuerliches Ultimatum: „Wir verlangen von der Bahn bis Sonntag um 18 Uhr ein schriftliches Angebot.“Dabei ließ er offen, wie die Lokführer weiter vorgehen, sollte der Schienenkonzern die Frist verstreichen lassen. Der Gewerkschaftsboss musste zuletzt auch seitens der Politik verbale Prügel einstecken, doch das scheint ihn nicht zu beeindrucken: „Mit der Kritik komme ich allemal zurecht.“Eine Schlichtung lehnt er weiterhin ab. Was von der endlosen Auseinandersetzung zu halten ist, lesen Sie im