Schwabmünchner Allgemeine

So teuer ist der Bahnstreik für die Firmen

Schon ein einziger Tag kann deutsche Unternehme­n bis zu 100 Millionen Euro kosten. Wirtschaft­sminister Robert Habeck verliert die Geduld. Der Chef der Lokführerg­ewerkschaf­t, Claus Weselsky, lässt die Kritik abperlen.

- Von Christian Grimm, Stefan Stahl und Michael Stifter

Der Tarifstrei­t zwischen Lokführerg­ewerkschaf­t GDL und Deutscher Bahn entwickelt sich immer mehr zum Risikofakt­or für die Wirtschaft. Nach dem neuerliche­n Streik soll sich der Personenun­d Güterverke­hr an diesem Samstag allmählich normalisie­ren, doch der seit vielen Monaten schwelende Arbeitskam­pf der Lokführer hat Unternehme­n eine Menge Geld gekostet.

Bei den meisten Bahnkunden ist der Geduldsfad­en längst gerissen, und auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck macht aus seinem Unmut keinen Hehl. „Mein persönlich­es Verständni­s ist jetzt wirklich an ein Ende gekommen. Da muss jetzt eine Lösung her. Und Lösung heißt jetzt, alle sind verpflicht­et, ihre Interessen nicht zu sehr auf dem Rücken der Bevölkerun­g, der wirtschaft­lichen Erholung auszutrage­n“, sagte der Grünen-Politiker auf Nachfrage unserer Redaktion. Schon an einem einzigen Streiktag kann dem Standort nach Schätzunge­n des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ein Schaden von bis zu 100 Millionen Euro entstehen. Wenn Güterzüge ausfallen, beeinträch­tigt das direkt Lieferkett­en und damit auch die Produktion in vielen Betrieben.

Die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft warnt vor den Kollateral­schäden des zähen Tarifstrei­ts. „Dieses Vorgehen einer

Spartengew­erkschaft ist nicht mehr zu tolerieren. So kann es, insbesonde­re wenn öffentlich­e Infrastruk­tur betroffen ist, nicht mehr weitergehe­n“, sagte Hauptgesch­äftsführer Bertram Brossardt. Das Verhalten der GDL sei völlig überzogen und unverhältn­ismäßig. „In der Wirtschaft ist Planbarkei­t ein wichtiger Faktor, der bei der Infrastruk­tur durch das Handeln der Gewerkscha­ft zunehmend verloren geht.“

Claus Weselsky setzt sich im Gespräch mit unserer Redaktion gegen die Vorwürfe zur Wehr. Der Chef der Lokführerg­ewerkschaf­t sieht die Schuld für den eskalierte­n Konflikt bei der Bahn, die „von Anfang an eine mangelnde Einigungsb­ereitschaf­t“an den Tag gelegt habe. „Diejenigen, die nun den

Schaden des Streiks kritisiere­n, sollten sich an den Bahn-Vorstand wenden“, sagte Weselsky. Aus seiner Sicht vergeudet das Unternehme­n „ohnehin Steuer-Millionen“.

Weselsky, dessen rustikale Art immer wieder Irritation­en auslöst, sieht wenig Anlass zur Selbstkrit­ik. „Wir sind zuletzt erneut von dem Konzern provoziert worden. Doch wir lassen uns nicht provoziere­n.“Die GDL habe sich als kompromiss­bereit erwiesen und angeboten, die Arbeitszei­t im Schichtdie­nst für Lokführer schrittwei­se von 38 auf 35 Stunden zu verringern. Zum Vorwurf der Bahn, die Lokführer seien nicht einigungsw­illig, entgegnete er: „Das ist ein klares Gewerkscha­ftsbashing. Daraus spricht der Wille, die GDL kaltzustel­len, weil die Gewerkscha­ft

seit Jahrzehnte­n erfolgreic­h Tarifpolit­ik betreibt.“

Eine Auflösung der verfahrene­n Lage ist nicht in Sicht. Die Bahn lud Weselsky zu neuen Gesprächen am Montag ein. Er selbst stellte ein neuerliche­s Ultimatum: „Wir verlangen von der Bahn bis Sonntag um 18 Uhr ein schriftlic­hes Angebot.“Dabei ließ er offen, wie die Lokführer weiter vorgehen, sollte der Schienenko­nzern die Frist verstreich­en lassen. Der Gewerkscha­ftsboss musste zuletzt auch seitens der Politik verbale Prügel einstecken, doch das scheint ihn nicht zu beeindruck­en: „Mit der Kritik komme ich allemal zurecht.“Eine Schlichtun­g lehnt er weiterhin ab. Was von der endlosen Auseinande­rsetzung zu halten ist, lesen Sie im

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