Der Klimawandel lässt sich nicht wegwünschen
Die Grünen werden zum Hassobjekt. Doch eigentlich geht es vielen Kritikern um etwas anderes: Es soll genug sein mit all den Zumutungen. Diese Rechnung geht nicht auf.
Der Traum schien zum Greifen nah. Nach Jahren auf der harten Oppositionsbank lief es auf einmal für die Grünen. Zum ersten Mal stellten sie eine Kanzlerkandidatin, die grünen Minister landeten im Beliebtheitsranking auf den vordersten Plätzen. Und sogar der Klimaschutz wurde massentauglich. Als ob eine unheimliche Macht einen Schalter umgelegt hätte. Die Mitte hatte die Grünen für sich entdeckt, machte sie zu so etwas wie einer Volkspartei. Doch so schnell die Liebe entflammt war, so schnell erlosch sie auch wieder. Keine andere Partei wird gerade so heftig attackiert wie die Öko-Partei. Aus politischer Auseinandersetzung wurde Hass.
Gründe haben die Grünen selbst ausreichend geliefert – doch es lohnt sich ein genauer Blick. „Man schlägt den Sack und meint den Esel“, sagt der Volksmund, oder anders ausgedrückt: Die Grünen sind Ersatz, sie dienen als Sündenbock für eine Vielzahl an weltanschaulichen Konflikten. Es geht vielen ihrer lautstarken Kritiker weder um Cem Özdemir noch um Ricarda Lang – es geht um den Wunsch, dass alle Zumutungen, für die sie stehen, doch bitte wieder verschwinden mögen. Die schlechte Nachricht: Selbst wenn die Grünen von der politischen Bildfläche abtreten sollten, werden sich drängende Fragen unserer Zeit nicht in Luft auflösen. Und die noch bitterere Wahrheit ist: Einen Klimaschutz, der sich quasi nebenbei ausbremsen lässt und dabei niemandem wehtut, wird es nicht geben. Egal, wer regiert.
In der Prioritätenliste vieler Menschen ist das Thema weit nach unten gerutscht. Das spüren auch die Mitglieder von „Fridays for Future“. Ein Hauch von „jetzt-musses-doch-auch-mal-gut-sein-mitdem-Klimaschutz“liegt in der Luft. Die Coronapandemie hat sich auf viele Seelen gelegt, der Krieg in der Ukraine wird sich länger hinziehen als erhofft, der Zuzug von Migranten verändert das Straßenbild. Der Wunsch, dass zumindest im eigenen Zuhause, im privatesten Rückzugsort, alles so bleiben soll, wie es schon immer war, ist verständlich. Doch genau dort greift der Staat ein: Geheizt werden soll per Wärmepumpe, in der Garage
soll ein E-Auto statt des Diesels stehen, auf dem Teller mehr Gemüse als Fleisch.
Natürlich hat die Bundesregierung einen großen Anteil an der allgemeinen Stimmungslage. Politik ist immer auch eine Führungsaufgabe, doch die Verantwortlichen haben es nicht nur versäumt, die Gesellschaft auf Veränderungen vorzubereiten, nein, noch schlimmer: Sie haben die Menschen durch massive eigene Fehler frustriert und die Saat des Misstrauens gesät. Statt eine positive Idee für die Zukunft zu verbreiten, schuf die Ampel Unsicherheit, die schließlich zu Angst und zu Wut wurde. Das wird nicht ohne Folgen bleiben. Es ist leider zu befürchten, dass auch künftige Regierungen, egal, wie sie zusammengesetzt sein mögen, es kaum mehr wagen werden, große, grundlegende Veränderungen anzustoßen. Die Wahrscheinlichkeit, für Reformen abgestraft zu werden, ist zu groß.
So bequem es klingen mag: Für Deutschland sind das keine guten Aussichten. Gerade wir als vom Wohlstand verwöhnter Riese werden uns in vielen Bereichen wandeln müssen. Nur darauf zu vertrauen, dass die Rezepte von gestern schon auch morgen noch wirken werden, wäre fatal. Klimaschutz ist weder linke Politik noch ein Luxusgut, er ist eine Pflicht. Das heißt nicht, dass nicht das Wünschenswerte gegen das Machbare abgewogen werden muss. Ohne Wandel wird es nicht gehen.
Klimapolitik ist nicht automatisch linke Politik.