Schwabmünchner Allgemeine

Der Klimawande­l lässt sich nicht wegwünsche­n

Die Grünen werden zum Hassobjekt. Doch eigentlich geht es vielen Kritikern um etwas anderes: Es soll genug sein mit all den Zumutungen. Diese Rechnung geht nicht auf.

- Von Margit Hufnagel

Der Traum schien zum Greifen nah. Nach Jahren auf der harten Opposition­sbank lief es auf einmal für die Grünen. Zum ersten Mal stellten sie eine Kanzlerkan­didatin, die grünen Minister landeten im Beliebthei­tsranking auf den vordersten Plätzen. Und sogar der Klimaschut­z wurde massentaug­lich. Als ob eine unheimlich­e Macht einen Schalter umgelegt hätte. Die Mitte hatte die Grünen für sich entdeckt, machte sie zu so etwas wie einer Volksparte­i. Doch so schnell die Liebe entflammt war, so schnell erlosch sie auch wieder. Keine andere Partei wird gerade so heftig attackiert wie die Öko-Partei. Aus politische­r Auseinande­rsetzung wurde Hass.

Gründe haben die Grünen selbst ausreichen­d geliefert – doch es lohnt sich ein genauer Blick. „Man schlägt den Sack und meint den Esel“, sagt der Volksmund, oder anders ausgedrück­t: Die Grünen sind Ersatz, sie dienen als Sündenbock für eine Vielzahl an weltanscha­ulichen Konflikten. Es geht vielen ihrer lautstarke­n Kritiker weder um Cem Özdemir noch um Ricarda Lang – es geht um den Wunsch, dass alle Zumutungen, für die sie stehen, doch bitte wieder verschwind­en mögen. Die schlechte Nachricht: Selbst wenn die Grünen von der politische­n Bildfläche abtreten sollten, werden sich drängende Fragen unserer Zeit nicht in Luft auflösen. Und die noch bitterere Wahrheit ist: Einen Klimaschut­z, der sich quasi nebenbei ausbremsen lässt und dabei niemandem wehtut, wird es nicht geben. Egal, wer regiert.

In der Prioritäte­nliste vieler Menschen ist das Thema weit nach unten gerutscht. Das spüren auch die Mitglieder von „Fridays for Future“. Ein Hauch von „jetzt-musses-doch-auch-mal-gut-sein-mitdem-Klimaschut­z“liegt in der Luft. Die Coronapand­emie hat sich auf viele Seelen gelegt, der Krieg in der Ukraine wird sich länger hinziehen als erhofft, der Zuzug von Migranten verändert das Straßenbil­d. Der Wunsch, dass zumindest im eigenen Zuhause, im privateste­n Rückzugsor­t, alles so bleiben soll, wie es schon immer war, ist verständli­ch. Doch genau dort greift der Staat ein: Geheizt werden soll per Wärmepumpe, in der Garage

soll ein E-Auto statt des Diesels stehen, auf dem Teller mehr Gemüse als Fleisch.

Natürlich hat die Bundesregi­erung einen großen Anteil an der allgemeine­n Stimmungsl­age. Politik ist immer auch eine Führungsau­fgabe, doch die Verantwort­lichen haben es nicht nur versäumt, die Gesellscha­ft auf Veränderun­gen vorzuberei­ten, nein, noch schlimmer: Sie haben die Menschen durch massive eigene Fehler frustriert und die Saat des Misstrauen­s gesät. Statt eine positive Idee für die Zukunft zu verbreiten, schuf die Ampel Unsicherhe­it, die schließlic­h zu Angst und zu Wut wurde. Das wird nicht ohne Folgen bleiben. Es ist leider zu befürchten, dass auch künftige Regierunge­n, egal, wie sie zusammenge­setzt sein mögen, es kaum mehr wagen werden, große, grundlegen­de Veränderun­gen anzustoßen. Die Wahrschein­lichkeit, für Reformen abgestraft zu werden, ist zu groß.

So bequem es klingen mag: Für Deutschlan­d sind das keine guten Aussichten. Gerade wir als vom Wohlstand verwöhnter Riese werden uns in vielen Bereichen wandeln müssen. Nur darauf zu vertrauen, dass die Rezepte von gestern schon auch morgen noch wirken werden, wäre fatal. Klimaschut­z ist weder linke Politik noch ein Luxusgut, er ist eine Pflicht. Das heißt nicht, dass nicht das Wünschensw­erte gegen das Machbare abgewogen werden muss. Ohne Wandel wird es nicht gehen.

Klimapolit­ik ist nicht automatisc­h linke Politik.

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