Schwabmünchner Allgemeine

Die Correctiv-Recherche hält vor Gericht stand

Die Enthüllung über ein Treffen von Politikern und Rechtsextr­emen löste deutschlan­dweit Proteste aus. Ein Teilnehmer und ein AfD-Spender griffen den Bericht juristisch an – mit überschaub­arem Erfolg.

- Von Maria-Mercedes Hering und Jonathan Lindenmaie­r

Hunderttau­sende Menschen protestier­ten gegen Rechtsextr­emismus, Alice Weidel entließ ihren Referenten, Stimmen nach einem AfD-Verbotsver­fahren wurden lauter. Recherchen des Medienhaus­es Correctiv, mit dem auch unsere Redaktion in der Vergangenh­eit kooperiert hat, lösten deutschlan­dweit Empörung aus. Demnach sollen Mitglieder von AfD und Werteunion im November mit rechtsextr­emen Aktivisten die massenhaft­e Abschiebun­g von Menschen mit Migrations­hintergrun­d geplant haben.

Einer der Anwesenden ging nun gerichtlic­h gegen den Bericht vor, ebenso ein im Text erwähnter Unternehme­r, der Geld an die AfD spendete. Die Kernvorwür­fe der Recherche standen dabei aber gar nicht zur Debatte. Einer der Kläger ist Ulrich Vosgerau. Der Jurist ist Mitglied der CDU und nahm am Treffen in der Potsdamer Villa teil. Er versuchte, gegen drei Textstelle­n vorzugehen.

So heißt es in einem Absatz des Berichts, Vosgerau habe sich später nicht an die Abschiebun­gsideen des Rechtsextr­emisten Martin Sellner erinnern können. In einem weiteren Satz schrieben die Journalist­innen und Journalist­en, Vosgerau spreche jungen Türkinnen die Fähigkeit ab, sich eine unabhängig­e Meinung bilden zu können. Vosgerau beanstande­te, seine Aussagen würden nicht korrekt wiedergege­ben. Das Landgerich­t Hamburg wies seinen Antrag in beiden Punkten zurück.

In einem dritten bekam der CDU-Politiker jedoch recht. So stand im Bericht, Vosgerau befürworte einen Vorschlag, wonach man die Rechtmäßig­keit von Wahlen

durch eine Masse an vorher erstellten Musterschr­eiben in Zweifel ziehen könne. Vosgerau entgegnete, dass er ein solches Vorgehen nicht unterstütz­e. Die Journalist­innen und Journalist­en von Correctiv mussten ihren Bericht um den entspreche­nden Satz kürzen.

Den Kern des Textes – die Anwesenhei­t von Rechtsextr­emisten sowie die Pläne zur massenhaft­en Abschiebun­g – griff Vosgerau vor

Gericht aber nicht an. Correctiv wertete das Verfahren als Erfolg. „Zentral in der Recherche war ja der ,Masterplan‘, wie es in der Einladung zu dem Treffen stand“, sagte Chefredakt­eur Justus von Daniels unserer Redaktion. „Dabei ging es pauschal darum, Millionen zu vertreiben, seien es Asylbewerb­er, Menschen mit Aufenthalt­sstatus oder, wie es im Vortrag hieß, ,nicht assimilier­te Staatsbürg­er‘“, sagte er.

Gleichzeit­ig wertete jedoch auch Ulrich Vosgerau die Entscheidu­ng als Sieg für sich. Man habe damit nachgewies­en, dass Correctiv Aussagen der Teilnehmer verkürzt dargestell­t und gegen Sorgfaltsp­flichten verstoßen habe, schrieb er auf der Plattform X. Außerdem kündigte er an, weiter vor das Oberlandes­gericht ziehen zu wollen.

Der zweite Antrag gegen das Medienhaus stammt von einem

Unternehme­r, der gar nicht am Treffen beteiligt war: Klaus Nordmann. Im Correctiv-Bericht wird er als „Mittelstän­dler aus NRW und AfD-Großspende­r“betitelt. Nordmann wollte gegen die Nennung seines Namens vorgehen. Das Gericht wies diesen Antrag jedoch zurück. Nordmann habe keinen Anspruch auf anonymisie­rte Berichters­tattung, so die Begründung. Der Unternehme­r sei bereits zuvor als AfD-Spender öffentlich in Erscheinun­g getreten.

„Beide Anträge haben sich mit unwesentli­chen Details der Veröffentl­ichung befasst“, sagte Correctiv-Chefredakt­eur Justus von Daniels über das Verfahren. „Unser Eindruck war, dass die Anträge auch dem Zweck dienen sollten, in der Öffentlich­keit ein Bild aufzubauen, dass unsere ganze Recherche vor Gericht infrage gestellt worden sei“, sagte er. „Das hat nicht funktionie­rt.“

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Foto: Jens Kalaene, dpa In diesem Gästehaus soll mit AfDPolitik­ern über Remigratio­n gesprochen worden sein.

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