Schwabmünchner Allgemeine

Was plant die Luftwaffe in Penzing?

Der ehemalige Fliegerhor­st wird vom ADAC und einem Filmstudio genutzt. Nun kommt ein Waffensyst­em ins Spiel. Politik und Mieter rätseln über die Pläne.

- Von Dominik Stenzel Kommentar

Auf den ehemaligen Fliegerhor­st in Landsbergs östlicher Nachbargem­einde Penzing zog es zuletzt des Öfteren politisch hohen Besuch. Ministerpr­äsident Markus Söder war dort, ebenso wie sein Vize Hubert Aiwanger oder 2021 der damalige Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer. Sie alle fanden eine Menge lobender Worte für die derzeitige­n Nutzer: Der ADAC betreibt auf dem Areal ein Testzentru­m, die Penzing Studios möchten den größten Filmstudio­komplex Zentraleur­opas aufbauen. Werden diese ambitionie­rten Pläne nun durch eine Rückkehr der Bundeswehr durchkreuz­t? Wie unlängst bekannt wurde, zieht die Luftwaffe den früheren Flugplatz als Radarstand­ort für den Raketensch­utzschild Arrow in Erwägung. Selbst das bayerische Wirtschaft­sministeri­um erfuhr davon erst durch die Berichters­tattung der Medien.

Man habe im Zuge der öffentlich­en Berichters­tattung von der Bedarfsprü­fung der Bundeswehr Kenntnis erlangt, teilt Ministeriu­mssprecher Jürgen Marks mit. „Zur Wahrschein­lichkeit einer erneuten militärisc­hen Nutzung von Teilen des Fliegerhor­stes Penzing können hier keine Einschätzu­ngen vorgenomme­n werden. Bereits früher gab es derartige Bedarfsprü­fungen, die dann jedoch keine Realisieru­ngen zur Folge hatten.“ADAC und Penzing Studios sind laut Marks hervorrage­nde Unternehme­n und am Konversion­sstandort Penzing hochwillko­mmen. „Wir werden diese Unternehme­n daher gerne unterstütz­en, um ihnen den bestmöglic­hen Verbleib am Standort zu ermögliche­n.“Das Wirtschaft­sministeri­um förderte den Aufbau der Penzing Studios mit knapp 1,5 Millionen Euro. Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte den Förderbesc­heid persönlich übergeben und dabei die Hyperbowl, ein hochmodern­es virtuelles Produktion­sstudio, besichtigt. „Hollywood wird neidvoll auf Penzing schauen“, sagte Aiwanger damals.

Die riesigen Transall-Hallen zeugen davon, dass der Fliegerhor­st lange Heimat des Luftwaffen­transportg­eschwaders 61 war. Seit dem Abzug der Bundeswehr wird das 270 Hektar große Areal, das sich über die Gemarkunge­n Penzings und Landsbergs erstreckt, von der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (Bima) verwaltet.

Die beiden Kommunen möchten dem Bund das Gelände abkaufen und haben einen Zweckverba­nd gegründet. Angestrebt wird ein dauerhafte­r Verbleib der derzeitige­n Hauptnutze­r. Der Fliegerhor­st habe das Potenzial, zum größten Studiokomp­lex Zentraleur­opas zu werden, sagte Geschäftsf­ührer Joe Neurauter unlängst über die Vision der Penzing Studios. Schon jetzt werden Hollywood-Größen wie Nicole Kidman oder Sylvester Stallone zum Dreh erwartet.

Zuletzt habe die Bima selbst dafür plädiert, den Fliegerhor­st aus den laufenden Bundesbeda­rfen herauszune­hmen, heißt es aus Landsbergs Stadtverwa­ltung. Umso überrasche­nder kommt die aktuelle Bedarfsprü­fung. Penzings Bürgermeis­ter Peter Hammer (CSU) hatte nur dank einer aufmerksam­en Person vor Ort erfahren, dass jüngst eine Delegation der Bundeswehr in Uniform auf dem Gelände war. Um mehr Klarheit zu bekommen, schrieb er den Inspekteur der Luftwaffe an – und wartet bis heute auf eine Antwort. Offenbar bezieht sich der Bedarf auf Freifläche­n im östlichen Gebiet der Start-und-Lande-Bahn. Hervor geht das aus einem Schreiben der Bima an den Zweckverba­nd, dessen Vorsitzend­er Hammer ist.

Die Antwort der Luftwaffe auf eine Anfrage unserer Redaktion brachte mehr Licht ins Dunkel. Demnach wird laut einem Sprecher das Waffensyst­em Arrow an mehreren, über Deutschlan­d verteilten Stellungsb­ereichen aufgebaut. In einer ergebnisof­fenen Untersuchu­ng sollten Standorte für die Sensoren identifizi­ert und eine Empfehlung zur möglichen Verortung ausgesproc­hen werden. „Der ehemalige Flugplatz Penzing wurde für eine Stationier­ung eines Radargerät­es dabei als geeignet bewertet“, sagt der Sprecher. Zu Detailplan­ungen könne man sich nicht weiter äußern. Der Raketensch­utzschild Arrow soll Deutschlan­d vor Angriffen schützen und kostet rund vier Milliarden Euro.

Über die Auswirkung­en eines Arrow-Radargerät­s auf dem Fliegerhor­st Penzing lässt sich nur spekuliere­n. Bürgermeis­ter Hammer geht von möglichen Einschränk­ungen und Veränderun­gen des Nutzungsko­nzepts aus. „Allein das Wort Radarsyste­m lässt erwarten, dass daraus Konsequenz­en entstehen könnten.“

Die Unternehme­n zeigen sich unterdesse­n relativ entspannt. Filmstudio-Chef Neurauter verweist auf den Austausch mit dem Zweckverba­nd. Es sei vermittelt worden, dass die Bedarfsprü­fung die von den Penzing Studios kurzund langfristi­g beanspruch­ten Flächen nicht beträfe. Eine ADACSprech­erin sagt: „Der ADAC fühlt sich am Standort Penzing sehr gut aufgehoben, und wir hoffen, dass er dort auch bleiben wird.“

Unterdesse­n finden auf dem ehemaligen Fliegerhor­st weiter namhafte Filmproduk­tionen statt. In dieser Woche diente das Gelände als Kulisse für einen neuen Tatort aus München: Die beiden Kriminalha­uptkommiss­are Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ermitteln auf einem Truppenübu­ngsplatz der US-Armee. Nach Informatio­nen des Bayerische­n Rundfunks wird die Folge frühestens im Herbst 2024 gezeigt.

Eine Delegation der Bundeswehr besuchte bereits den Standort.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die Transall prägten viele Jahre den Fliegerhor­st in Penzing. Unser Foto entstand im März 2016.
Foto: Ulrich Wagner Die Transall prägten viele Jahre den Fliegerhor­st in Penzing. Unser Foto entstand im März 2016.
 ?? Foto: Julian Reischl ?? In den Penzing-Studios werden Filme gedreht.
Foto: Julian Reischl In den Penzing-Studios werden Filme gedreht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany