Venedig kämpft gegen Rüpel
Vor allem jüngere Menschen besuchen die Lagunenstadt, um in die vielen Kanäle zu springen. Bei den Einwohnern kommt dies gar nicht gut an.
Bald ist es wieder warm in Venedig. Einige, vor allem jüngere Venedig-Besucher, meist aus Nordeuropa, können dann nicht widerstehen. Sie sonnen sich im Bikini auf den Plätzen der Stadt, springen in Badehosen, manchmal auch vollständig bekleidet, von Brücken in die Kanäle. Sie kühlen sich in den Flüsschen der Stadt ab, die oft sogar mit Zugangstreppen zur Abkühlung zu verleiten scheinen. Es gab auch schon Besucher, die nahmen ihr Stand-Up-PaddleBrett, um zwischen Vaporettos und Wassertaxis über den Canale Grande zu schippern. In Venedig hat man für sie nur ein Wort übrig: Cafoni, was so viel wie Rüpel bedeutet.
Es gibt in der Stadt bekanntlich nur noch knapp 50.000 Einwohner, aber jene Verbliebenen nehmen es überaus Ernst mit der Sorge um das Ansehen ihrer Stadt. „Venedig ist NICHT Disneyland“nennt sich etwa eine bekannte Initiative auf Facebook, deren Mitglieder ihre Stadt mit mehr Respekt behandelt wissen wollen. Die lokalen Medien verstärken den Aufschrei regelmäßig. „Rüpel-Touristen in Badehose und Bier trinkend auf dem Balkon“titelte neulich erst wieder die Lokalzeitung Il Gazzettino.
Besonders gnadenlos ist der Umgang mit denjenigen, die das wunderschöne, aber doch auch von den Venezianern selbst aus Geschäftsgründen in eine Art Freilichtmuseum verwandelte Venedig als Kulisse für ihre umstrittenen sportlichen Herausforderungen nutzen. Da platzte sogar dem Bürgermeister vor einiger Zeit ganz öffentlich der Kragen: Ein britischer Besucher stürzte sich vom Dachsims eines dreistöckigen Hauses in der Nähe des Campo San Pantalon mit einem spektakulären Bauchplatscher in den Kanal. Einige Schaulustige versuchten, den Waghalsigen von seinem Sprung noch abzubringen. Bürgermeister Luigi Brugnaro äußerte sich im
Fernsehen empört. Der Springer, der Tage später identifiziert, mit einer Geldstrafe belegt und der Stadt verwiesen wurde, verdiene den „Idioten-Führerschein“und „einen Haufen Fußtritte“. Es handele sich bei diesen Menschen um „echte Verbrecher, die sich nicht im Klaren sind, welche Gefahren sie für die Stadt bedeuten“.
Und für sie selbst, möchte man hinzufügen. Denn als Argument dafür, dass solche Taten in Venedig (ebenso wie Picknicken auf der Straße oder das Spazieren in Badekleidung) verboten sind, wird stets der angebliche Verstoß gegen den „decoro“, also gegen Anstand und Zierde, in Anspruch genommen. Luca Zaia, Venetiens Regionalpräsident behauptete dementsprechend, solche Verhaltensweisen seien „eine Beleidigung für die Stadt und alle Venezianer“.
Die Gefährlichkeit ist freilich vor allem angesichts des immensen Wasserverkehrs gegeben. 2016 starb ein neuseeländischer Matrose in Folge seines Sprungs von der
Rialto-Brücke. Er hatte ein Motorboot nicht kommen sehen.
Der waghalsige Dachspringer war damals übrigens nicht alleine unterwegs. Der Mann war Teil einer vierköpfigen britischen Gruppe namens „Phat“, die für den von ihnen betriebenen Alternativsport „Parkour“in der Lagunenstadt eine aufregende Kulisse fanden. Vom harten Tadel des Bürgermeisters fühlten sich die vier jungen Männer damals zusätzlich motiviert. Sie präsentierten ihre Künste später auf Youtube als „wildes 3-Tage-Abenteuer in Venedig“, den Warnungen des Bürgermeisters zum Trotz.
„Phat“waren übrigens nicht die Ersten, die Venedig für ihre Zwecke nutzten. Im Jahr 2018 hatte bereits der lettische Parkourläufer Pavel Petkuns spektakuläre Sprünge über Kanäle und Motorboote absolviert und in einem Kurzfilm verewigt. Die Aktion war ein Werbeprojekt des Getränkeherstellers Red Bull. Damals gab die Stadtverwaltung grünes Licht.