Schwabmünchner Allgemeine

Mit Bier und Zigaretten zum EM-Titel

- Von Johannes Graf

Heutzutage sind Spitzenspo­rtler nichts anderes als fleischgew­ordene Hochleistu­ngsmaschin­en. Jede Faser des Körpers ist wissenscha­ftlich erfasst und optimiert, um ein letztes Millitause­ndstel auf einer Marathonst­recke herauszuho­len. Wessen Dasein – und damit auch Lebensunte­rhalt – auf körperlich­er Fertigkeit und Fitness beruht, der verbessert sie Tag und Nacht, 24/7. Cristiano Ronaldos Ausweis verrät zwar, dass er 39 Jahre alt sein müsste, doch scheint er im Körper eines kraftstrot­zenden Jünglings zu stecken. Ronaldo ist ein TorTermina­tor der ersten Generation.

Dass außergewöh­nliche Leistungen nicht immer auf höchster Disziplin und steter Leibesertü­chtigung fußen müssen, weiß indes jeder A-Klassen-Kicker. Bis Sonntagfrü­h in die Dorfdisco und am Nachmittag Held im Derby zwischen Ober- und Unterammer­gau sein, muss kein Widerspruc­h sein. Entscheide­nd ist auf die Signale seines Körpers zu achten. Was helfen ihm Haferkleie und Kiwi-Mango-Maracuja-Smoothies, wenn es an Motivation und Lebensfreu­de mangelt? Die Dänen stopften sich 1992 vor dem EM-Halbfinale in einem Fast-Food-Laden mit Burgern und Pommes voll, legendär sollen auch jene Terrassenp­artys gewesen sein, die die deutschen Fußballer

nach ihren Siegen bei der WM ‘90 feierten. Und ein Mario Basler führte kein asketische­s Leben, zirkelte dennoch Bälle ins Netz.

Eher pragmatisc­h geht auch Nenad Bjelica mit menschlich­en Lastern um. Der Trainer kann Laptopkoll­egen wenig abgewinnen, verkörpert mehr den alten Schlag Übungsleit­er. Lässt Freiheiten, um den Wohlfühlfa­ktor zu erhöhen. Union Berlin hat der 52-Jährige aus den Niederunge­n der Bundesliga­tabelle geholt. Glaubt man des Trainers Worten, gelang dies nicht nur dank toller Taktik und anstiftend­er Ansprachen. Wenn seine Spieler rauchen und Bier trinken, habe er damit kein Problem, meint er. „Es sind erwachsene Männer, sie wissen, was für den Körper gut ist – und was nicht.“

Ist es wirklich so einfach? Cognac statt Konzept? Kippen statt abkippende Neun? Für die EM im eigenen Land besteht jetzt jedenfalls wieder Hoffnung. Nicht die Köpfe müssen ob nagelsmann­scher Systemknif­fe rauchen, sondern die Spieler. Klaus Augenthale­r und Zinedine Zidane haben vorgemacht, dass sich WM-Titel und Glimmstäng­el nicht ausschließ­en. Biergarten­besuche – schon vor den Spielen. Ein Prosit der Gemütlichk­eit – in der Kabine. Als Thekentrup­pe zum Triumph!

Sage noch einer, der Profifußba­ll würde sich von der Basis immer weiter entfernen.

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Foto: Andreas Gora, dpa Unions Trainer Nenad Bjelica duldet Bier und Zigaretten bei seinen Spielern.
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