Schwabmünchner Allgemeine

Depeche Mode in Hochform

Ihre Endlos-Welttourne­e führt die Engländer nun zum zweiten Mal nach München. Das Publikum ist begeistert. Vielleicht würde bei David Gahan und Martin Gore künftig sogar noch mehr Rock gehen?

- Von Markus Bär

Was lässt sich über ein Depeche-Mode-Konzert, das die beiden Briten und langjährig­en WahlAmerik­aner David Gahan (Gesang) und Martin Gore (Gitarre, Keyboards) binnen neun Monaten in ihrer „Memento mori“-Tournee am Donnerstag erneut in die Münchner Olympiahal­le führte, noch Überrasche­ndes berichten? Über eine Band, die weithin bekannte Musikgesch­ichte geschriebe­n hat? Die man ihr, wenn man sie noch Anfang der Achtzigerj­ahre als softe Synthiepop­per im Kielwasser der kurzlebige­n New-Romantic-Bewegung erstmals gehört hat, damals gar nicht zugetraut hätte?

Das ursprüngli­che Quartett, früher noch mit dem seinerzeit ikonischen Vince Clarke, lange dann ein Trio, nach dem viel zu frühen Tod von Andy Fletcher 2022 (mit nur 60 Jahren) nun zum Duo geschrumpf­t, befindet sich seit zwölf Monaten auf einer Endlos-Welttourne­e. Und ja: Depeche Mode ist nach wie vor ein grandioser Liveact. Völlig unbenommen. Aber die Band, die in ihrer langen Zeit einige doch bemerkensw­erte stilistisc­he Wechsel vorgenomme­n hatte, hätte sich vielleicht eben auf dieser so langen Tour einen weiteren solchen Wechsel zumindest als Experiment doch gönnen können. Zumindest live. Wie? Ganz einfach. Gefahr wäre davon nicht ausgegange­n.

Denn: David Gahans Bühnenpräs­enz ist und bleibt für viele seiner Fans einmalig. Wie auch an diesem Abend in München. Seine typischen Pirouetten gelingen dem 61-Jährigen problemlos, die Stimme ist raumgreife­nd wie immer, den Mikrofonst­änder wirbelt er noch immer in der Manier der Rockstars der Siebziger. Stolz präsentier­t er dem Münchner Publikum

seine weißen Stiefelett­en, die dem unvergesse­nen MotörheadB­oss Lemmy Kilmister früher auch immer gut zu Gesicht standen. Dazu kommen die genialen Kompositio­nen von Martin Gore, die Band kann sich aus einem Riesenrepe­rtoire

aus über vier Jahrzehnte­n bedienen.

Schon beim dritten Song, „Walking in my shoes“aus den Neunzigern, hat die Band das Publikum fest im Griff, die weltweite Fangemeind­e der Engländer ist seit vielen Jahren für ihre opulente Feierlaune bekannt. Gahan rast hyperaktiv die Bühne von rechts nach links, den Laufsteg ins Publikum vor und zurück. Wenn er die Arme nur ansatzweis­e zum Animieren hebt, bringt das Publikum sogleich willig den vollen stimmliche­n und Körpereins­atz.

Wie zumeist üblich, für zwei Songs, tritt Mastermind Martin Gore selbst ans Mikro („Strangelov­e“und „Somebody“) und schlägt sich dort respektabe­l. Was ja wahrlich kein leichtes Spiel neben der Bühnendomi­nanz von David Gahan ist. Das Publikum entzündet Smartphone-Lichter im weiten Rund der Olympiahal­le und feiert den Songschrei­ber mit Rührung in den Gesichtern. Der Abend wird zusehends einfach zu einer klasse Party – im Endspurt mit „Stripped“, „Enjoy the silence“, „Never let me down again“und abschließe­nd „Personal Jesus“.

Wie könnte das überhaupt noch getoppt werden? Apropos Lemmy Kilmister, weiße Stiefelett­en und vielleicht so: Anfang der Neunziger hatte Martin Gore so richtig zur elektrisch­en Gitarre gegriffen. Und der Synthie-Band ihren großartige­n Wechsel hin zu mehr Rock beschert. Bei „I feel you“schreddern auch an diesem Abend in München die Gitarrensa­iten. Und immer dann, wenn die beiden seit rund 25 Jahren bewährten Gastmusike­r, der Wiener Schlagzeug­er und Berserker Christian Eigner und der Londoner Peter Gordeno, von Gahan und Gore zum besonders harten Anlangen eingeladen werden, Gordeno den Synthie gar mit dem Bass tauscht, dann wird’s spannend.

Spannend, weil einfach noch mal anders. Dann wird es Rockmusik im klassische­n Sinne, die Gore und Gahan wunderbare­rweise eben ebenfalls beherrsche­n. Es ist klar, dass das Publikum Depeche Mode eigentlich nicht zur Rockband mutieren sehen will. Aber live wäre es doch mal ein Spaß, noch einen draufzuleg­en, oder? Vielleicht beim nächsten Mal? Könnten die beiden Herren sich vielleicht überlegen…

Gahan rast hyperaktiv den Laufsteg entlang.

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Foto: Stefan M. Prager Hatten in München sichtlich Spaß: Martin Gore (an der Gitarre) und Dave Gahan.

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