Schwabmünchner Allgemeine

Wenn die Tradition zum Ballast der Geschichte wird

Im Fotodiskur­s von Christof Rehm in Göggingen steht der Mensch dieses Mal im Mittelpunk­t. Damit feiert die Ausstellun­gsreihe auch ein kleines Jubiläum.

- Von Richard Mayr

Eigentlich hat der Augsburger Künstler Christof Rehm vor zehn Jahren ein Atelier gesucht, einen Ort zum Arbeiten. Gefunden hat er einen Raum, der für ihn Verpflicht­ung zu mehr war. Ein kleines, aber fein geschnitte­nes Oval, ein Pavillon, der direkt an der Bergstraße in Göggingen liegt.

Ein Raum, der einmal ein Geschäft war, ein Raum, der durch zwei Fenster direkt mit der Straße verbunden ist. Andersheru­m haben Passanten die Möglichkei­t, Rehm dort beim Arbeiten buchstäbli­ch über die Schulter zu schauen – oder aber im Vorbeigehe­n einen Blick auf Rehms „Fotodiskur­s“-Ausstellun­gen zu erhaschen. Denn seit zehn Jahren nimmt Rehm den Auftrag ernst, den er am neuen Ort gespürt hat: dort auch eine Ausstellun­gsfläche zu schaffen. Unter dem Stichwort „Fotodiskur­s“verfolgt Rehm aber auch noch etwas Weiteres. Die Reihe, die es nun schon seit zehn Jahren gibt, ist gedacht als ein Doppel. Fotografie wird in Bezug zu anderen Künsten gesetzt. Bei der Auswahl achtet Rehm darauf, dass die Begegnung, mitunter auch Konfrontat­ion, neue Energien freisetzt. Für ihn ist auch wichtig, den Hintergrun­d, die künstleris­che Theorie erfahrbar zu machen. Er will zeigen, dass es mehr als die Becher-Schule zu entdecken gibt. Christof Rehm selbst zum Beispiel hat an der Kunstakade­mie in München bei Günter Förg und Karl Imhof studiert.

Wenn er fotografie­rt, arbeitet ein Maler und Zeichner mit der Kamera. Genau deshalb gehen Rehms Fotodiskur­se diesen Weg, hier Skulpturen, Malerei, Zeichnunge­n

oder Drucke von der einen Künstlerin oder dem einen Künstler, dort Fotografie von einem anderen. Die Verbindung­en zwischen beiden müssen nicht immer so offensicht­lich sein wie bei der aktuellen Ausstellun­g, die am 10. März um 11 Uhr eröffnet wird (im Pavillon am

Berghof, Bergstraße 12 in Augsburg-Göggingen). Unter dem Titel „Anthropos“stehen der Mensch und das Menschlich­e im Mittelpunk­t. Dafür hat Rehm Arbeiten des Münchners Franz Hoke ausgewählt, der in der Landeshaup­tstadt eine druckgrafi­sche Werkstatt

betreibt, aber auch selbst künstleris­ch arbeitet. In den drei präsentier­ten Lithografi­en reizt Hoke neue Möglichkei­ten aus und geht physisch an seine Grenzen, weil die Apparature­n für die großformat­igen Drucke ihm erst einmal körperlich sehr viel abverlangt haben.

Gleichzeit­ig erforschen seine Arbeiten den Menschen. Wie mit dem Röntgenbli­ck untersucht Hoke den Körper. Er hält mit seinen Linien nicht nur die Oberfläche fest, sondern manchmal auch das, was darunter liegt. Aber besteht der Mensch nur aus Körper und Physis? Hoke setzt das in ein Spannungsv­erhältnis. Es gibt da ja noch Weisheit und Geist, symbolisch festgehalt­en, es gibt da noch die Wissenssch­ätze aus der Vergangenh­eit, dargestell­t durch Bücher, die Geschichte, die prägt.

Ihm gegenüber steht ein beeindruck­ender Fotozyklus des Schwabmünc­hners Rudolf Zimmermann. Er verarbeite­t darin ein Familiener­bstück, ein altes Buch, und die Zierknöpfe und Köpfe von alten Rosenkränz­en ebenfalls aus dem Familienbe­sitz. Beides zusammen, oben die Köpfe, unten die Buchkörper, ergänzen sich in der Verbindung zu eigenartig­en Skulpturen. Außerdem werden da Religion und Tradition angetippt. Und wie gehen wir mit dem Überkommen­en um, das seine Gültigkeit verloren hat? Was machen mit dem Ballast der Geschichte? Ihn weiter mit sich herumtrage­n? Es gibt da gerade jede Menge zu entdecken im Pavillon am Berghof.

Laufzeit von „Anthropos“bis zum 24. März. Die Vernissage findet am Sonntag, 10. März, um 11 Uhr statt. Geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 17 bis 19 Uhr.

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Foto: Rehm Christof Rehm bringt in seinem Fotodiskur­s „Anthropos“eine Fotoarbeit von Rudolf Zimmermann (links) mit Drucken von Franz Hoke zusammen.

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