Lieber Vorlagen geben als Tore schießen
Unter Trainer Jess Thorup blüht Mittelfeldspieler Fredrik Jensen beim FC Augsburg immer mehr auf. Vor allem als Passgeber überzeugt er. Für die restliche Saison formuliert der 26-Jährige Ziele. Und auch mit der finnischen Nationalmannschaft hat er ein gro
Besser hätte der Premierenwalk von Fredrik Jensen wirklich nicht laufen können. Als Jess Thorup Anfang Oktober als Trainer des FC Augsburg mit dem 5:2-Auswärtssieg beim 1. FC Heidenheim sein erfolgreiches Debüt in der Bundesliga gab, da hatte der 26-jährige Finne einen maßgeblichen Anteil daran. Er bereitete drei Treffer vor.
Fünf Monate später hat Thorup seine erste persönliche Halbserie beendet, wenn am Samstag (15.30 Uhr/Sky) der 1. FC Heidenheim in der WWK-Arena gastiert. Und die Hochachtung für Jensen ist ungebrochen: „Er ist nicht nur ein guter, sondern auch ein cleverer Spieler. Er kann jede Taktik gut umsetzen. Und er ist ein Teamplayer, er macht alles für die Mannschaft“, schwärmt Thorup. Das zeigte Jensen beim spektakulären 6:0 beim SV Darmstadt 98. Jensen erzielte nicht nur das 2:0 nach einem feinen Pass von Ruben Vargas selbst, sondern bereitete auch das 5:0 vom Ermedin Demirovic vor.
„Es war ein wahnsinniges Spiel, in dem bei uns einfach alles geklappt hat“, sagt Jensen ein paar Tage später. Dass er seinen Kapitän dessen Saisontor Nummer 14 ermöglichte, freute den 26-jährigen Finnen fast noch mehr als sein zweiter Treffer in dieser Spielzeit. „Es ist super, Tore zu erzielen, aber Vorlagen zu geben, finde ich fast noch geiler. Vielleicht ist es so, weil ich einem Mitspieler mit einer Vorlage auch eine Freude bereite.“Es war sein fünfter Assist, damit liegt er hinter Demirovic (neun Pässe) auf Platz zwei des FCA-Rankings.
Freude bereitet Jensen seit einigen Monaten seinem Trainer Thorup und der Trainer ihm. „Es macht unter ihm riesigen Spaß.“Warum? Darauf hat Jensen keine so richtige Antwort. Da gerät er sogar ein wenig ins Philosophieren. „Warum es manchmal so gut klappt und manchmal nicht, ist eine der großen Fragen im Fußball. Ich bin froh, dass ich ein so gutes Verhältnis zum Trainer habe, wie alle anderen auch.“
Vielleicht ist es ja auch noch ein
bisschen spezieller. Denn Thorup hat mit seiner Umstellung auf eine Mittelfeld-Raute für Jensen eine Position geschaffen, die ihm wie auf den Leib geschneidert scheint. Als Außenbahnspieler hatte er wenig Platz, wurde sofort attackiert, hatte wenig Zeit, seine Spielintelligenz einzusetzen. Jetzt hat er etwas Luft zum Atmen, Raum, um seine technischen Fähigkeiten einzusetzen, seine Kreativität auszuleben. „Wir haben nach der Winterpause mit der Raute ein wenig umgestellt. Für mich ist das kein Problem, ich bin ein flexibler Spieler. Auf dieser Position muss ich ein wenig mehr verteidigen, das habe ich immer im Hinterkopf. Ansonsten ist es wichtig, dass wir in der Offensive unsere Laufwege gut antizipieren. Zurzeit gelingt uns das sehr gut“, sagt Jensen. Wie bei seinem
Tor in Darmstadt, als er den gechipten Ball von Vargas daunenweich aus der Luft annahm, um dann abgebrüht zum 2:0 zu vollenden. Oder wie er Demirovic beim 5:0 mit einem genialen Pass in die Tiefe des Darmstädter Strafraums im Stile eines englischen Butlers vorbildlich bediente.
Seine Fähigkeiten waren den FCA-Verantwortlichen schon 2018 so ins Auge gefallen, dass sie ihn für rund drei Millionen Euro vom niederländischen Erstligisten FC Twente Enschede nach Augsburg holten. Damit ist Jensen nach Raphael Framberger und Jeffrey Gouweleeuw der dienstälteste FCA-Spieler. Damals war das viel Geld für den 20-Jährigen. Lange schien es auch ein Investment ohne Rendite zu bleiben. Denn Jensen war viel verletzt. Nicht umsonst stehen gerade mal 80 Bundesligaspiele in seiner Vita.
Doch es scheint, als habe sich Jensen körperlich stabilisiert. Vielleicht spielt auch Töchterchen Sienna eine Rolle, die im Juni geboren wurde. Seitdem haben sich die Prioritäten beim ihm und seiner Frau Camilla verschoben, ist Jensen nicht mehr so auf Fußball fixiert, lässt Dinge nicht mehr so nahe an sich ran. Es sind viele Komponenten, die passen müssen, damit sich ein so feinfühliger Fußballprofi wie Jensen wohlfühlt. Und derzeit fühlt er sich wohl.
Das will er gegen Heidenheim zeigen. Vom Torespektakel nimmt er nur eines mit: das gute Gefühl. Der Rest sei abgehakt. „Wir haben die drei Punkte, hatten einen freien Tag mehr. Wir müssen jetzt einfach weiter gierig und hungrig bleiben.“
Das ist Jensen auch in Bezug auf die finnische Nationalmannschaft. Noch ist die offizielle Nominierung für den Kampf um das EM-Ticket in der Länderspielpause (18. bis 30. März) nicht veröffentlicht, doch ist angesichts seiner Leistungen in der Bundesliga wohl sicher, dass er dabei ist. Wie Ermedin Demirovic mit Bosnien-Herzegowina in der Gruppe B, kann sich Jensen mit Finnland in den Play-offs der Nations League Gruppe A noch für die EM qualifizieren. Finnland muss in Wales antreten. Der Sieger spielt gegen den Sieger der Paarung Polen/Estland. „Das sind Alles-odernichts-Spiele. Es wäre überragend für Finnland, wenn wir uns nach 2021 erneut für die EM qualifizieren würden. Wir müssen zwei Spiele gewinnen. Alles andere zählt nicht“, sagt Jensen.
Auch nicht seine persönliche Zukunft. Zwar läuft sein Vertrag bis Sommer 2025, doch werden sich beide Parteien wohl bald zusammensetzen. „Es gab noch keine Gespräche, aber natürlich wird das ein Thema werden. Jetzt fokussieren sich der Verein und ich nur auf diese Saison. Dann werden wir sehen, was passiert“, sagt Jensen und fügt an: „Ich fühle mich wohl in Augsburg, wir sind ja jetzt auch schon sechs Jahre hier.“Und wohlfühlen ist für Jensen ganz wichtig.