So läuft die Suchthilfe in der Stadt Essen
Der geplante Umzug des Be-Treffs sorgt für Diskussionen. Wie funktioniert es woanders? Ein Blick nach Essen, wo eine Einrichtung gemischte Reaktionen hervorruft.
Die Pläne, den Süchtigentreff künftig in Räumlichkeiten von St. Johannes unterzubringen, schlagen weiter hohe Wellen. Gerade bei Anwohnerinnen und Anwohnern stoßen die Überlegungen auf Widerstand. Die Diskussionen, die in Augsburg geführt werden, sind auch in anderen Städten bekannt. Wie ist die Situation dort, wie gehen sie mit suchtkranken Menschen um? Ein konkreter Blick nach Essen.
Der Straßenname ist für die Süchtigen Programm: In Essen befindet sich die „Suchthilfe-direkt“seit über 20 Jahren in der Hoffnungstraße. Dort werden Süchtige beraten und behandelt, sie erhalten individuelle Hilfe. Es gibt vor Ort eine Notschlafstelle, einen Drogenkonsumraum, eine Substitutionsambulanz – in diesem Jahr wird die Einrichtung um eine Diamorphinambulanz erweitert. Sie richtet sich an langjährig opiatabhängige Menschen (etwa Heroin), die von den anderen Angeboten des Suchthilfesystems nicht ausreichend profitieren konnten. Für Frank Langer, der dort in der Fachstelle Suchtprävention arbeitet, ist der
Standort der Suchthilfe perfekt. „Wir wollen da nie wieder weg“, sagt er. Mitarbeiter von angrenzenden Firmen bewerten die Nähe zu der Einrichtung differenziert.
Im Jahr 2000 zog die „Suchthilfe-direkt“, eine Tochtergesellschaft der Stadt Essen, in die Hoffnungstraße, berichtet Langer. Davor hätten sich viele Suchtkranke, die von Alkohol oder Drogen abhängig waren, am Hinterausgang des Essener Hauptbahnhofs aufgehalten. „Wenn man von der U-Bahn hochkam, hat das einem dann schon Angst gemacht. Da stand ein Pulk von 70 bis 80 Leuten“, erinnert er sich.
Seit die Suchthilfe ihr Haus am Rande des Innenstadtbereichs, was in wenigen Minuten fußläufig vom Hauptbahnhof aus zu erreichen ist, bezogen hat, sei vieles besser geworden – insbesondere seit 2001 ein Drogenkonsumraum eingerichtet wurde, wo unter „hygienischen Bedingungen“konsumiert werden könne.
Über 580.000 Menschen leben in der Stadt im Ruhrgebiet. Laut Langer gibt es in der „Suchthilfe-direkt“30.000 „Konsumvorgänge“im Jahr. Der Großteil des Drogenkonsums spiele sich innerhalb der Einrichtung ab. Doch außerhalb der Öffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr werde nun einmal von den Suchtkranken auch konsumiert. Das passiere dann auch einmal im Umfeld der Einrichtung, in der viele andere Institutionen und Firmen ansässig sind. Nahe dem Träger befinden sich etwa ein Altenheim, das Gesundheitsamt, die Möbelbörse der Diakonie und ein großes Labor. Beschwerden hielten sich im Rahmen, so der Mitarbeiter in der Suchtprävention. „Wir haben ein engmaschiges Umfeldmanagement“, betont er.
Das beinhalte, dass kontinuierlich Flyer mit einer Notfallnummer verteilt würden. Wenn Nachbarn sich daran störten, dass Suchtkranke nahe der Einrichtung Drogen konsumierten oder Spritzen liegen lassen würden, solle diese angerufen werden. „Dann kommt jemand, der mit den Drogensüchtigen spricht und die Spritzen wieder einsammelt.“
Grundsätzlich würden die Suchtkranken auch sensibilisiert und gebeten, dass sie ihre Drogen nicht in der Nähe der Einrichtung nehmen. „Die Szene zeigt da gewissermaßen auch Verständnis. Probleme können wir so minimieren, 100-prozentig weg bekommen wir sie aber nicht.“Das bestätigt auch
Thomas Ahlmann, Geschäftsführer des Dachverbands FairWertung, der ein direkter Nachbar der Suchthilfe ist. Es gebe ein gutes Nebeneinander. Es komme auch gelegentlich vor, dass sich ein Suchtkranker auf dem Parkplatz des Verbands einen Schuss setze. „Die Drogenabhängigen sind freundlich und nicht aggressiv“, berichtet er. Wenn er dann die Suchthilfe anrufe, sei ein Mitarbeiter innerhalb „kürzester Zeit“da. Der Verband habe keinen Publikumsverkehr, insofern sehe er die Einrichtung in seiner unmittelbaren Nähe nicht als Problem an. „Die Leute müssen irgendwo hin“, sagt er pragmatisch. Er könne aber verstehen, dass Nachbarn mit Publikumsverkehr weniger begeistert seien.
Severine Ingwerth, die das Pflegeheim Sonnengarten leitet, das direkt gegenüber der Suchthilfe liegt, sagt: „Wir leben damit. Das ist nicht immer schön, aber es ist nun einmal so.“Ein Teil der Süchtigen sei unauffällig, der andere Teil würde pöbeln und sich mit anderen Abhängigen prügeln. „Es gibt Einbrüche und Diebstähle und wir finden Ausscheidungen jeglicher Form vor unserer Tür“, zählt sie auf.
Es sei nicht schön mit anzusehen, wie jemand offen konsumiere oder auf der Straße zusammensacke. Ein Mitarbeiter einer direkt angrenzenden Firma findet die Situation „schlimm“. Die Drogensüchtigen würden oft am Hintereingang der Einrichtung herumsitzen und ihren Müll liegen lassen. Nachts würde er da nicht vorbeilaufen wollen. Er wisse von einem Nachbarn, der wegen der unmittelbaren Nähe zur Suchthilfe umziehen wolle. Besorgt blickt er der Eröffnung der Diamorphinambulanz entgegen. „Dann kommen die Schwerstabhängigen. Wir wissen nicht, was dann passiert.“
In den vergangenen Jahren hatte ein Mediziner geplant, solch eine Heroin-Ambulanz nahe dem Essener Hauptbahnhof zu eröffnen, worauf sich großer Widerstand geregt hatte. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet, dass der Ordnungsdezernent der Stadt Essen, Christian Kromberg, gesagt habe, dass der öffentliche Raum damit überfordert wäre. Es wurde befürchtet, dass bis zu 200 Suchtkranke täglich das Umfeld des Hauptbahnhofs bevölkern würden. Im Februar 2023 beschloss die Stadt, dass bei der Suchthilfe direkt eine Diamorphin-Ambulanz mit bis zu 50 Plätzen eingerichtet werden solle.