Nach den Demos: Das wollen die Bauern
Der Präsident des BBV skizziert seine Perspektiven für die Landwirtschaft. Warum das Wort „Zeitenwende“dabei häufig vorkommt und was nicht angesprochen wird.
Seit eineinhalb Jahren ist Günter Felßner Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), jetzt sprach er beim Bäuerinnenund Bauernabend im Königsbrunner Trachtenheim erstmals vor Mitgliedern im Landkreis. Sein Thema: „Vielfältig. Kreativ. Innovativ – Bauernfamilien gestalten die Zukunft“. Die Protestaktionen, mit denen Landwirte zuletzt für Schlagzeilen sorgten, werden erst spät am Abend, in der Aussprache mit den gut 120 Zuhörern, zum Thema.
Felßners Anliegen ist es, den Blick in die Zukunft zu richten, Perspektiven für die Landwirtschaft in einer Welt im Wandel aufzuzeigen. „Die ,Zeitenwende‘ hat nicht mit Corona begonnen und nicht mit dem Ukrainekrieg, sondern mit dem Ausstieg aus der fossilen Lebensweise“, stellt er fest. Der sei nötig, „damit wir nachhaltig leben können, damit wir nicht auf Kosten der nächsten Generation die Grundlagen vernichten.“Aktuell würden 85 Prozent der klimaschädlichen Gase von 15 Prozent der Weltbevölkerung ausgestoßen. „Das sind wir Industrieländer.“Deren Wohlstand mit dem bisherigen Wirtschaften auf die übrige Welt zu verbreiten, „das hält der Planet nicht aus“.
Es sei also höchste Zeit für eine „nachhaltige Bio-Ökonomie“, so Felßner. Mit dem europäischen „Green Deal“will die Europäische Union bis 2050 eine klimaneutrale
Wirtschaft entwickeln, dieses Ziel bestimme die Politik. Nicht am Ziel will der BBV-Präsident, der auch Vize im Deutschen Bauernverband ist, rütteln, sondern an der Umsetzung. Die hat nach seiner Einschätzung viele Mängel. Er sieht eine besondere Rolle für die Bauern. „Wir haben Ahnung von dieser Bio-Ökonomie, wir müssen eine Denkfabrik für die ganze Gesellschaft sein.“Felßner sieht dabei vier Aufgabenbereiche für die Landwirtschaft: die Sicherung der Ernährung, die Produktion nachhaltiger Energie, einen Beitrag zur Dekarbonisierung, also zur Abkehr vom Einsatz fossiler Rohstoffe, und den Schutz der Biodiversität, mit Boden, Wasser und Luft. „All das können Bauern leisten – aber nichts davon umsonst.“
Felßners Familie bewirtschaftet nahe Nürnberg einen Milchviehbetrieb mit 170 Hektar – die Hälfte
davon ist Grünland –, rund 100 Kühen, 20 Hektar Wald und Fotovoltaik auf dem Dach. So illustriert er diese Punkte immer wieder mit Beispielen und Zahlen aus der Praxis. Rund 125 Menschen ernähre statistisch betrachtet ein Bauer in Deutschland. Angesichts der Krisen in der Welt sei Selbstversorgung nicht nur bei Energie, sondern auch bei Nahrungsmitteln wichtig. Heutzutage weniger zu produzieren, sei „gefährlich falsch“. Vielmehr müsse man Flächen „multifunktional nutzen“. So liefere ein Hektar Weizen mit Mehl für Brot nur 25 Prozent seines Potenzials, die Ausbeute steige deutlich, wenn vom Rest noch Nutztiere gefüttert und mit deren Ausscheidungen in Biogas-Anlagen Wärme und Strom produziert werden. Zudem könne man problemlos auf dem Hektar 99 Prozent Weizen und 1 Prozent Wildkräuter aussäen und so die Biodiversität fördern.
Ideen, wie die Lage der Bauern im Geflecht von Nahrungsmittelindustrie, großen Handelsketten und weltweitem Agrarhandel zu verbessern wäre, bietet der BBVPräsident an diesem Abend allerdings nicht. Was von ihm auch nicht zu hören ist, sind Angriffe auf die Regierung in Berlin. „Die Ampel ist nicht alleine schuld an der Misere“, stellt er fest, „auch Vorgänger-Regierungen haben das Fass, das jetzt übergelaufen ist, gefüllt.“Zum Thema Energie spricht ein Landwirt den Konflikt zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Fotovoltaik auf Freiland an. Felßner sagt, der Verband dürfe sich nicht einfach gegen Letztere aussprechen, weil Sonnenstrom nun mal höhere Pachtverträge bringe, gegen die man nicht ankomme. „Bauern müssen Energie produzieren“, so seine Lösung. Der BBV entwickle dazu mit dem Verband der Bayerischen Energieund Wasserversorger ein „BauernBürger-Modell“, mit dem die Wertschöpfung solcher Anlagen für Dörfer und Regionen gesichert werden könne.
Bei der Dekarbonisierung führt er abbaubare Bio-Kunststoffe als Ersatz für Produkte aus Erdöl an. Daran habe man schon vor 30 Jahren geforscht, „die waren damals zehn Prozent zu teuer“. Beim Pflanzenschutz sei es der falsche Weg, per Verordnung den Einsatz von Spritzmitteln um die Hälfte zu reduzieren. Das habe man verhindert. „Wir können auf Mittel erst verzichten, wenn wir Alternativen haben.“All diese Ideen, so berichtet der BBV-Präsident, habe er auch in Brüssel diskutiert und bei der Jahrestagung der Europäischen Volkspartei vorgestellt – mit guter Resonanz.
Die Zuhörenden – darunter auch Landrat-Stellvertreter Hubert Kraus, Abgeordneter Anton Rittel (Freie Wähler) und Vertreter von landwirtschaftlichen Behörden und Schulen – folgten den 80-minütigen Ausführungen Felßners. Erst in der Aussprache ging es ausführlich um die BauernDemos. Ein jüngerer Zuhörer beklagte, bei der Anfahrt zur Demo in Augsburg seien die Traktoren am Sandberg auf einem Feldweg gefahren und nicht auf der Bundesstraße: „So demonstriert man nicht!“Kreisobmann Martin Mayr begründete dies mit der Auflage der Polizei, die Kolonnenfahren untersagt habe.
Felßner unterstrich deutlich, gerade der geordnete Ablauf der Demos habe den Bauern Sympathie eingebracht. Auch wenn deutlich mehr Traktoren gekommen seien als angemeldet, habe man die Sicherheitskonzepte eingehalten. Er habe seine Kontakte zu CSU-Regierungsmitgliedern genutzt, um möglichst viele Aktionen möglich zu machen. Die Proteste hätten die Zustimmung für die Bauern sehr befördert, in der Bevölkerung wie auch bei Handwerkern und Wirtschaftsverbänden. „Wir müssen weiter sichtbar und sympathisch bleiben“, so der Appell des BBVPräsidenten.