Schwabmünchner Allgemeine

Bis zum Abspann sitzen bleiben?

- Von Doris Wegner Von Felicia Straßer

ProAch, lasst sie rausgehen, all die Ungeduldig­en. Denn sie wissen nicht, was sie verpassen. Höchste Zeit für eine kleine Hymne auf den Abspann. Er ist Puffer zwischen fiktiver und realer Welt, schenkt eine Schonfrist, während der man noch seinen Gedanken nachhängen kann und so tut, als ob man sich brennend für das Catering am Set interessie­ren würde. Wer denkt denn nach einem herzzerrei­ßenden Happy End schon an die Schlange vor der Toilette und stürmt raus? Wo man doch verschämt im Dunkeln nach einem Taschentuc­h kramen, sich ein Tränchen wegwischen oder noch mal Luft holen und alles sacken lassen kann, wenn das Ende gar zu aufwühlend war.

Abspannguc­ker sind auf eine gemütliche Art Trüffelsch­weine. Was hätte man nicht alles verpasst? In desolater Verfassung wäre man nach dem letzten James Bond „Keine Zeit zu sterben“aus dem Kinosaal gestolpert – ohne am Schluss des Abspanns einen kleinen Hoffnungss­chimmer geschenkt zu bekommen.

Wer will denn freiwillig am Ende von „Mamma Mia“auf Meryl Streep und Pierce Brosnan verzichten, die in 70er-Jahre-Klamotten tanzen? Oder auf die verpatzten Szenen bei den Dreharbeit­en von „Schuh des Manitou“? Am Schluss des Abspanns dankt Bully Herbig übrigens noch all den wichtigen Unterstütz­ern – und „Oma und Manitou“. So sehen Sahnehäubc­hen aus. Und manchmal ist der cineastisc­he Schlussakk­ord ein Kunstwerk für sich – bei Herr der Ringe mit handgezeic­hneten Charaktere­n von Gandalf, Bilbo und Co. Oder der Abspann in der Anmutung der Karte des Rumtreiber­s bei Harry Potter in der „Gefangene von Askaban“. Im Kino haben Sitzenblei­ber nicht die Hauptrolle – sind aber klar im Vorteil.

Contra

Die Leinwand wird langsam schwarz, dann erscheinen weiße Lettern, der Film ist zu Ende. Oder etwa nicht? Im Abspann erscheinen die Namen aller Menschen, die am Film mitgearbei­tet haben. Aber wer will das sehen? Viele Kinobesuch­er verlassen hastig den Saal – und das zu Recht.

Welchen Nutzen, welchen Sinn hat es, sechs, sieben, acht Minuten länger sitzen zu bleiben? Sich jeden einzelnen Namen durchlesen, ist schier unmöglich und außerdem wenig aufschluss­reich. Dafür sind es sowieso einfach zu viele. Es mag eine nett gemeinte Geste sein, um die unbekannte­n Filmschaff­enden zu würdigen. Aber bekommen diese Menschen das mit? Sitzt die Statistin oder der Cutter im Saal und beobachtet, wer sich anerkennen­d den Abspann anschaut? Wohl kaum.

Natürlich kann man sitzen bleiben, um über den Film nachzudenk­en, der gerade zu Ende gegangen ist. In den vergangene­n eineinhalb Stunden sind viele Eindrücke auf einen eingeprass­elt, das Ganze muss der Kopf ja auch erst einmal verarbeite­n. Aber das ist schwierig, wenn um einen herum alle am Zusammenpa­cken sind und sich durch die Sitzreihen quetschen. Keine schöne Atmosphäre, um über die eben gesehenen Bilder zu sinnieren. Den Film Revue passieren lassen, das geht viel besser auf dem Weg nach Hause.

Schwarzer Hintergrun­d und weiße Lettern sind einfach nichts, was Zuschauer auf den Sesseln hält. Wenn nicht nebenbei noch Outtakes (also Szenenschn­ippsel) gezeigt werden oder außerorden­tlich gute Filmmusik läuft, kann man den Saal getrost verlassen.

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Foto: Robert Michael, dpa Sitzen bleiben bis wirklich nichts mehr auf der Leinwand kommt?
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