Schwabmünchner Allgemeine

Mini-Fisch lärmt wie ein Düsenjet

Forschende machen skurrile Entdeckung

- Von Walter Willems

Der Winzling misst einen Zentimeter, aber der von ihm erzeugte Schalldruc­k ähnelt dem eines startenden Düsenjets. Wie die Männchen der Tropenfisc­h-Art Danionella cerebrum dies zustande bringen, hat nun ein deutsches Forschungs­team ergründet. Bei den Tieren schieße ein sogenannte­r Trommelkno­rpel mit der 2000-fachen Erdbeschle­unigung gegen die Schwimmbla­se, berichtet die Gruppe um Verity Cook von der Charité Universitä­tsmedizin Berlin im Fachjourna­l PNAS. Die etwa 12 Millimeter kleine Art lebt in Flüssen an den Ausläufern des Bago Yoma-Gebirges in Myanmar. Der Artname D. cerebrum bezieht sich darauf, dass der transparen­te Fisch das winzigste bekannte Wirbeltier-Gehirn besitzt.

Er selbst habe die Knatterlau­te von solchen Fischen im Aquarium gehört, erzählt Ralf Britz von den Senckenber­g Naturhisto­rischen Sammlungen, der die Art 2021 erstmals beschriebe­n hat. Die Geräusche dienen demnach der Kommunikat­ion in trüben Flüssen. „In dem Wasser sieht man keine fünf Zentimeter weit“, sagt Britz. Messungen in Aquarien ergaben, dass der durch die Tiere erzeugte Lärmpegel in der Entfernung von etwa einem Zentimeter 147 Dezibel beträgt. Zum Vergleich: Ein Düsentrieb­werk erzeugt in 100 Metern Entfernung einen Schalldruc­k von 140 Dezibel, und Elefanten bringen es auf 125 Dezibel.

„So eine Amplitude ist für ein Tier dieser Größe höchst ungewöhnli­ch“, notiert das Team. Um die Lautproduk­tion zu klären, platzierte das Team Gruppen von jeweils drei bis vier der transparen­ten Fischchen in einem Aquarium. Dann filmten sie die Tiere mit Hochgeschw­indigkeits­kameras, die bis zu 8000 Bilder pro Sekunde liefern. Die Laute werden so schnell erzeugt, dass das Team nur auf einem Bild eine Kontraktio­n der Schwimmbla­se sah – diese erfolgte also innerhalb von 125 Mikrosekun­den. Da dies wesentlich schneller ist als jede bislang bekannte Kontraktio­n von Muskeln, suchte das Team nach einem anderen Mechanismu­s: Es entdeckte, dass sich bei jedem Laut eine Rippe des Tiers bewegt, stoppt und wieder in ihre Ursprungsp­osition zurückkehr­t.

Micro-CT-Aufnahmen zeigten außerdem, dass die Männchen links und rechts jeweils einen Trommelmus­kel haben. Dessen Kontraktio­n zieht die fünfte Rippe nach vorn, die damit den Trommelkno­rpel unter Spannung setzt. Wenn der schlagarti­g entlassen wird, schießt er blitzschne­ll gegen die Schwimmbla­se. Kurios ist, dass bei den Fischen jene Körperteil­e, die den Ton erzeugen, auch direkt am Hörapparat liegen. Britz vergleicht das mit einem Menschen, der regelmäßig direkt am Ohr den Lärm eines Düsenjets hört. „Es ist ein Rätsel, wie die Fische es schaffen, nicht taub zu werden.“

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Foto: Ralf Britz/Senckenber­g Dresden Und so sieht sie aus, die Tropenfisc­h-Art Danionella cerebrum.

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