„Wir brauchen mehr Demokraten“
Seit gut 100 Tagen ist Wolfgang Fackler Bürgerbeauftragter der Staatsregierung. Er hört sich Sorgen und Nöte an. Und manchmal muss er den Ministerpräsidenten Markus Söder in Schutz nehmen.
Als Sie Ihre Aufgabe als Bürgerbeauftragter der Staatsregierung im Herbst übernommen haben, sagten Sie im Gespräch mit unserer Redaktion: „Beim Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat ist der Lack ab.“Wie viel Lack ist denn jetzt, Anfang 2024, noch vorhanden?
Wolfgang Fackler: Die Demonstrationen, die wir Anfang des Jahres in den unterschiedlichsten Bereichen erlebt haben, machten uns deutlich, dass wir das Verhältnis von Staat und Bürger stärken müssen. Da sind alle Kräfte gefordert – und ich sage das auch in Richtung von populistischen Kräften. Wir brauchen mehr Demokraten statt Populisten. Das ist ganz wichtig, um das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürger zu verbessern.
Sie haben gerade eine Bürgersprechstunde in Günzburg hinter sich. Wo drückt den Menschen hier der Schuh?
Fackler: Es waren durchaus interessante Anliegen, Dinge aus dem Alltag. Ganz generell ist der Bürgerbeauftragte Ansprechpartner für alle Lebenslagen. Konkret ging es einem Bürger um die Polizeiinspektion Burgau, einem anderen um den Zuganschluss zwischen Günzburg und Krumbach/Mindelheim. Eine dritte Person hat das Thema Krankenhaus in Krumbach angesprochen. Auch da muss man ganz klar sagen: Schlechte Stimmung zu verbreiten, ist immer das Einfachste, das ist auch ein Problem unserer Zeit. Gerade bei der Krankenhaus-Diskussion ist viel Kaffeesatzleserei im Spiel. Dabei schauen alle Beteiligten – ob auf Landkreis-, Landes- oder Bundesebene –, das Bestmögliche rauszuholen, damit die ländlichen Krankenhäuser so gut wie möglich erhalten bleiben können.
Welche Themen werden sonst bei den Sprechstunden an Sie herangetragen?
Fackler: Ein Bürger hatte eine Idee in Richtung Energiewende, mit einem besonderen Ansatz, den wir uns einmal anschauen müssen. In den meisten Fällen geht es um sehr persönliche Einzelthemen. Beispielsweise, wenn jemand eine Ölrechnung vorliegen hat, die er
nicht bezahlen kann. Oder Bürger, die zum Mikrozensus herangezogen werden und sagen, sie wollen da herausgenommen werden. Neulich gab es auch eine Anfrage einer Walking-Gruppe, die gesagt hat, sie würde gerne einmal den Ministerpräsidenten kennenlernen. Da ist vieles dabei. Meine Aufgabe ist es, dem Einzelnen zu helfen, aber auch größere Themen herauszufiltern, um der Staatsregierung Impulse zu geben.
In vielen bayerischen Städten und Gemeinden haben dieses Jahr Bauern protestiert. Die Unzufriedenheit der Menschen scheint ein neues Level erreicht zu haben. Macht sich das auch in Ihren Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern bemerkbar?
Fackler: Es ist wieder etwas abgeebbt und etwas besser geworden. Wobei das Thema für die Landwirte nach wie vor aktuell ist. Da ist es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten, mit den Menschen zu reden, auf den Bauerndemos zu sein oder im kleineren Kreis miteinander zu sprechen. Wenn man den Menschen erklärt, woher die Auflagen kommen, wie wir zwischen Umweltschutz und landwirtschaftlichen
Belangen abwägen müssen, wird sich die Situation und das gesellschaftliche Klima wieder ändern. Da haben wir alle noch einen Auftrag, das immer weiter zu verbessern. Es gehört aber auch dazu, dass man sachlich bleibt, klare Ansagen macht und nicht jedem alles verspricht.
Als Ohr der Staatsregierung sind Sie der Kummerkasten für Bürgerinnen und Bürger, zugleich aber auch Teil der Staatsregierung, die bisweilen in der Kritik steht. Müssen Sie den Ministerpräsidenten manchmal in Schutz nehmen?
Fackler: Ja, das kommt auch vor. Da gibts ganz unterschiedliche Dinge – der eine schreibt mir, was Markus Söder beim BR-Stammtisch im Fernsehen gesagt hat, hat ihm gefallen. Und der andere sagt, was er von ihm bei „Jetzt red i“gehört hat, hat ihm nicht gefallen. Fans und Kritiker hat jeder Politiker.
Bei aller Kritik, die bei Ihnen ankommt: Ist da vielleicht manchmal auch ein Lob darunter?
„Das Schöne ist das Kommunizieren mit den Menschen, der direkte Austausch.“
Fackler: Kommt auch vor. Der Bürger hat ja nicht nur das Recht zu schimpfen, sondern vielleicht gelegentlich auch mal die Pflicht zu loben. Ich weiß, bei uns im Schwaben gilt der Grundsatz: Nicht geschumpfen ist gelobt genug. Aber für unser soziales Miteinander tut es sehr gut, wenn man dem anderen ein klein bisschen positive Emotionen mit auf den Weg geben kann.
Sie machen den Job jetzt seit gut 100 Tagen – macht’s noch Spaß?
Fackler: Es macht sogar immer mehr Spaß, würde ich sagen. Man muss in die Rolle hereinwachsen, diese Funktion annehmen und interpretieren. Und man sieht einerseits, wo der Schuh drückt – und andererseits auch, wo man etwas bewegen kann. Das Schöne ist immer das Kommunizieren mit den Menschen, der direkte Austausch. Das tut gut, und dann geht man auch am Abend mit einem guten Gewissen ins Bett.