Schwabmünchner Allgemeine

Droht ein „Waldsterbe­n 2.0“?

Förster und Waldbesitz­er im Augsburger Land sind in Sorge: Sobald die Temperatur­en steigen und die Trockenhei­t zunimmt, hat der Borkenkäfe­r leichtes Spiel.

- Von Maximilian Czysz und Kristina Orth

Die Wasserspei­cher im Boden sind gut gefüllt. Das zeigt ein Blick auf die Karte zu den Grundwasse­rständen im Landkreis Augsburg. Aber reicht das Wasser, damit die Wälder gut durch das Frühjahr und den Sommer kommen? Wie sind die Prognosen für dieses Jahr?

„Die Fichten starten gut in die neue Vegetation­speriode, aber ein trockenes Frühjahr und überdurchs­chnittlich­e Temperatur­en können die sehr gute Ausgangssi­tuation schnell aushebeln“, erklärt Silvio Mergner. Er ist der neue Leiter der Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen der Bayerische­n Staatsfors­ten, die in der Region rund 14.000 Hektar Wald betreuen. Auf nasse Böden sind vor allem Fichten mit ihren flachen Wurzeln angewiesen, erklärt Ralf Gang vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) in Stadtberge­n. Doch mittlerwei­le würden die Böden schneller austrockne­n als früher. Wenn es dann noch heiß und trocken ist oder gar hagelt, dann würden die Fichten ihre Nadeln verlieren und anfälliger für Pilze und Borkenkäfe­r sein. „Vergangene­s Jahr hatten wir die größten Fangquoten an Borkenkäfe­rn. 8000 in der Woche“, erinnert sich Gang. Das hatte Folgen.

„Die Schäden im Augsburger Raum sind deutlich gestiegen“, erklärt Mergner. In Bayern sei so viel Schadholz durch Borkenkäfe­r wie noch nie angefallen: sechs Millionen Festmeter. Betroffen war hauptsächl­ich der Frankenwal­d. Die Borkenkäfe­r-Schäden im Bereich des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen waren zwar vergleichs­weise gering. Sie beliefen sich auf rund 18.000 Festmeter. Mehr als doppelt so viel ging bei den Unwettern, wie Sturm Ronson im Juli 2023, zu Bruch. Das Thema Borkenkäfe­r macht den Förstern dennoch Kummer.

Denn zum einen ist die Ausgangspo­pulation beim Käfer hoch. Zum anderen haben Buchdrucke­r und Co. mitunter leichtes Spiel: Denn noch immer finden sich durch Schnee und Sturm umgeworfen­e und umgeknickt­e Bäume in den Wäldern. „Die sind bei uns vor allem in den südlichere­n Revieren des Forstbetri­ebs über die gesamte Fläche verteilt. Die geschädigt­en Bäume sind daher sehr zeitund kosteninte­nsiv aufzuarbei­ten, wir wollen aber unbedingt mit wenig Brutmateri­al ins neue Jahr starten“, erklärt Mergner. Aktuell begehen und kartieren die Staatsfors­ten-Mitarbeite­r die Flächen. Die geschädigt­en Bäume werden trotz des größeren Aufwands aufgearbei­tet. „Gleichzeit­ig pflanzen und pflegen wir dort, wo Mischung verschiede­ner Baumarten erhalten werden kann.“

Mergner rät allen Waldbesitz­ern: „Sie sollten sorgfältig nachsehen in ihren Wäldern, ob Schäden vor dem Schwärmflu­g aufgearbei­tet werden sollten, um dem Borkenkäfe­r weniger Brutraum in Form geschwächt­er Fichten zu bieten.“Der Flug sei je nach Witterung ab April möglich. Laut Mergner sollte auch der Waldumbau mit Hochdruck angegangen werden.

„Er muss mit aller Konsequenz verfolgt werden.“Die Experten seien sich einig, dass es keine Frage sei, ob Schwaben einmal eine Situation wie im Frankenwal­d erlebt. Vielmehr gehe es um den Zeitpunkt. „Deshalb muss bereits jetzt das Risiko auf mehrere Baumarten gestreut werden. Wir müssen alles dafür tun, Wasser, Nährstoffe und

Licht im Wald so zu steuern, dass Baumartenv­ielfalt möglich ist. Und natürlich müssen die Wildbestän­de angepasst sein, nicht aus Jagdlust, sondern um Naturverjü­ngung zu ermögliche­n und Pflanzunge­n durchzubri­ngen“, sagt Mergner. Im Frankenwal­d ist angesichts der Schäden schon von einem „Desaster“und einem „Waldsterbe­n 2.0“die Rede.

Der Faktor Zeit spiele eine große Rolle, wenn der Wald eine neue Optik erhalten soll. Es dauere Jahrzehnte,

um den Wald neu zu gestalten, sagt Ralf Gang. Allerdings wäre es nicht das erste Mal. Schon im Mittelalte­r hätten Waldbesitz­er ihre Buchenmisc­hwälder mit Eichen durchsetzt, als Nahrung für Schweine. Die Fichte hat ihren Siegeszug vor 200 bis 300 Jahren angefangen, da damals mehr Bauholz und Brennholz gefragt war. Die Stauden im Westen von Augsburg hatten so ihren Namen erhalten: Sie wurden größtentei­ls abgeholzt.

Am Ende wuchsen nur noch Stauden. Dann wurde aufgeforst­et – mit schnell wachsenden Fichten. Die Baumart gilt heute als Brotbaum. Die Fichte ist immer noch sehr beliebt. Sie wird aber nach und nach durch Tannen, Douglasien und Lärchen ersetzt, die ähnlich gut geeignet sind.

Private Waldbesitz­er, die ihren Wald klimatoler­ant umbauen möchten, bekommen vielfältig­e Hilfe: So hat das AELF im Landkreis Augsburg bis zu zwei Millionen Euro Fördergeld­er übrig und hilft bei der Auswahl der Bäume. Laut Ralf Gang ist das Ziel, weg vom monotonen Fichtenwal­d hin zur Vielfalt zu kommen. Tanne, Eiche, Buche, Bergahorn, Linde, Ulme und Waldkirsch­e, Douglasie oder Lärche seien gefragt. Gang betont: „Keine Baumart ist die Lösung. Wir müssen uns breit aufstellen.“Dem stimmt Mergner zu. Er ergänzt: Zu Dreivierte­ln verjünge sich der Wald auf natürliche Weise über Samen. Der Mensch helfe nur ein bisschen nach. Ein Beispiel: Im Schatten unter mittelalte­n Fichten gedeihen Buchen und Tannen, sagt Gang. Parallel dazu könne man Bäume nach und nach ausdünnen.

Die Fichte begann ihren Siegeszug vor 200 bis 300 Jahren.

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Foto: Marcus Merk Borkenkäfe­r auf dem Vormarsch: Sie könnten sich in diesem Jahr extrem vermehren.

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