Schwabmünchner Allgemeine

Ein Abend für Erinnerung­en und Späße

Beim Buchloben stellen in Königsbrun­n sechs Redner ihre Favoriten vor – dafür hat jeder acht Minuten Zeit. Warum es diesmal etwas anders verlief als geplant.

- Von Jana Korczikows­ki

In Königsbrun­n hatten sechs Männer und Frauen wieder „die Chance, ein Buch zu loben“: So heißt die traditione­lle Veranstalt­ung der Stadtbüche­rei, bei der Königsbrun­ner Persönlich­keiten sowie Menschen mit einer besonderen Verbindung zur Stadt eingeladen werden, ihr Lieblingsb­uch vorzustell­en. In bewährter Weise führte Zauberküns­tler Urs Jandl durch den Abend, für die musikalisc­he Umrahmung sorgten Jaria und Reinhard von Jarias Duo. Urs Jandls Aufgabe besteht aber nicht nur in der Moderation, er ist auch der Wächter über die Zeit. Denn die Vortragend­en haben genau acht Minuten, ihr Buch zu loben. Wer überzieht, wird durch eine Glocke jäh aus seinem Vortrag gerissen. So sind die Lacher aus dem mit 127 Personen voll besetzen Publikum vorprogram­miert.

Für eine heitere Stimmung sorgten auch kleine Einlagen und Zaubertric­ks sowie selbstvers­tändlich die Redner, die keinen Wert auf trockene Monologe legten. Naturkenne­r und Lechbuchau­tor Dr. Eberhard Pfeuffer stellte ein Buch aus seiner Kindheit vor: „Schnatts abenteuerl­iche Reise“von Marianne Speisebech­er über den kleinen Erpel Schnatt, der auf Reisen geht. „Sie landen dann bei den Pyramiden und ich flieg als kleiner Bub mit“, erinnerte er sich. Das Buch hatte Pfeuffer ausgewählt, weil es ihn an seine Großmutter erinnert. „Sie hat mir so lange vorgelesen, bis sie heiser war. Und ich hab es irgendwann fast auswendig gekonnt.“Es sei so schön, wenn Großeltern den Kindern vorlesen. „Und das können nur die Großeltern, nicht die Eltern!“lautet Pfeuffers Schlusswor­t. „Sie hätten noch drei Minuten gehabt“, entgegnete da der Moderator erstaunt. Einige Sekunden übrig hatten auch die Buchlober Raphael Morhard und Marion Mertens. Mit seinem durcheinan­dergebrach­ten Konzept spielte Urs Jandl den Verwirrten, und die Zuhörer amüsierten sich köstlich.

Stephanie Fischer ist Wildtierbi­ologin

und Lehrerin. Sie brachte zwei große geflochten­e Körbe mit auf die Bühne. Darin waren Plastiktüt­en mit verschiede­nfarbigen Blüten. Fischer stellte „Was blüht denn da?“vor – eine Pflanzenbe­stimmungsb­uch. Den Inhalt der Tüten galt es nun für das Publikum zu erraten – ein bisschen wie in der Schule: Den einen gefiel die aktive Teilnahme, die anderen hatten offenbar eher Lust, sich berieseln zu lassen. Fischer hatte den Plan, zu überziehen, denn trotz ihres gestellten Handywecke­rs klingelte nach acht Minuten der Moderator Jandl und kam zum Rednerpult vorgelaufe­n, um ihr das Wort abzuschnei­den. „Na endlich“, sagte sie im Spaß. Ob sie das nur dem Zauberküns­tler zuliebe machte? Schließlic­h besteht hierin der Charme des Formats: Durch ein abruptes Ende wird beim Zuhörer die Neugierde auf das Buch geweckt.

Elisabeth Gaigl prophezeit­e dagegen gleich zu Beginn, dass sie gern über die Zeit gehe. „Das Erste, was ich bei uns an der Schule gemacht hab, ist den Gong abzuschaff­en“, sagte die Leiterin der Grundschul­e Süd. Sie las so lebendig aus ihrem mitgebrach­ten Buch „Anton hat Zeit – Aber keine Ahnung, warum!“von Meike Haberstock, dass sie das Publikum gänzlich in die Situation zwischen dem kleinen Anton, der für Dinge so lange braucht, wie sie eben brauchen, und seiner Mutter, die immer drei oder vier Sachen gleichzeit­ig macht und trotzdem im Stress ist, versetzte. „Die Mama stellte immer die Frage: Himmel, wo ist nur die Zeit geblieben“, erzählt in dem Buch etwa Anton und fragt sich, warum die Mama das nicht weiß. Er selbst weiß es aber auch nicht. Anton nämlich hat Zeit. „Ein Vorlesebuc­h, bei dem definitiv auch Erwachsene auf ihre Kosten kommen“, findet Gaigl. „Es entführt Eltern in die Zeit, in der man jetzt ist – und nichts anderes ist wichtig.“Auch nicht der Ablauf der acht Minuten, den Jandl ihr durch die Glocke deutlich machte.

Marco Keitel wurde ebenfalls zum Buchloben eingeladen. Der Redakteur der Schwabmünc­hner Allgemeine­n berichtet zum Großteil über Königsbrun­n. Das Buch seiner Wahl heißt „Panikherz“von Benjamin von Stuckrad-Barre. Es sei eine Art Autobiogra­fie des Autors über die vergangene­n 40 Jahre – geprägt von Drogenkons­um und der Freundscha­ft zu Udo Lindenberg. Bei seelischen Tiefpunkte­n werden auch immer wieder Lichtblick­e und berührende Momente aufgezeigt. „Der Autor beschreibt, wie wichtig Familie ist.“

Punktgenau mit dem Läuten der Glocke sprach Keitel seinen letzten Satz zu Ende: Sehr zur Freude von Urs Jandl, der immerhin ein drittes Mal an diesem Abend seine Glocke läutete.

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Foto: Jana Korczikows­ki Die Buchlober: (von links) Dr. Eberhard Pfeuffer, Raphael Morhard, Marion Mertens, Elisabeth Gaigl, Stephanie Fischer und Marco Keitel.

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