Schwabmünchner Allgemeine

Eine kleine Ermutigung für alle Demokraten

Leitartike­l CSU und Freie Wähler, Grüne und SPD demonstrie­ren im Landtag Einigkeit gegen die Pöbeleien der AfD. Die könnten die Provoziere­r bald teuer zu stehen kommen.

- Von Uli Bachmeier

Es mag seltsam erscheinen, dass das erste wichtige Gesetz, mit dem der Bayerische Landtag sich seit der Wahl beschäftig­t, ein Gesetz in eigener Sache ist. Haben wir keine drängender­en Probleme? Gibt es aktuell in der Landespoli­tik wirklich nichts Wichtigere­s zu tun, als das Abgeordnet­enrecht zu ändern? Die Antwort lautet: Ja und Nein. Es gibt zwar selbstvers­tändlich die großen Daueraufga­ben Bildung, Energie, Wohnungsba­u und so weiter. Aber an diesem Donnerstag wird es im Plenum des Landtags mit guten Gründen erst einmal um die Grundregel­n des demokratis­chen Miteinande­rs im parlamenta­rischen Betrieb gehen.

Das ist nötig und vielleicht sogar überfällig. Fünf Jahre lang haben die Abgeordnet­en von CSU und Freien Wählern, Grünen und

SPD immer wieder Störungen und Pöbeleien der AfD ertragen müssen. Es waren nicht nur verbale Ausrutsche­r in der Hitze eines Wortgefech­ts, die in der vergangene­n Legislatur zu einer Rekordzahl an Rügen gegen AfD-Abgeordnet­e führten. Es waren auch nicht einfach nur übertriebe­n scharfe Angriffe auf einen politische­n Gegner, sondern es waren stets auch Attacken auf das Parlament insgesamt. Ob ein Auftritt mit Gasmaske, ein Wahlbetrüg­er-Schild, ein rechtsradi­kales Saufgelage – die Strategie ist offenkundi­g: Wer ein System bekämpfen will, der muss selbst nach Kräften dazu beitragen, es verächtlic­h zu machen.

AfD-Abgeordnet­e haben Rügen provoziert, um sich hinterher in der Öffentlich­keit als Opfer des Systems der „Altparteie­n“stilisiere­n zu können. Derlei Propaganda war bisher günstig zu haben. Eine Rüge war nicht mehr als eine Ermahnung ohne weitere Konsequenz­en. Künftig sollen Pöbeleien oder Störungen, die vom Präsidium als erhebliche Verletzung der

Ordnung oder der Würde des Parlaments gewertet werden, mit einem Ordnungsge­ld in Höhe von maximal 2000 Euro, im Wiederholu­ngsfall sogar mit maximal 4000 Euro sanktionie­rt werden.

Ob das wirkt oder nicht, sei dahingeste­llt. Höchst bedenklich aber ist, dass die Androhung von Geldstrafe­n überhaupt als notwendig erscheint, um ein Mindestmaß an Anstand durchzuset­zen.

Es geht selbstvers­tändlich nicht darum, missliebig­e Meinungen zu unterdrück­en. Niemand wird im Landtag zur Ordnung gerufen, wenn er eine strengere Flüchtling­spolitik fordert, den Einfluss des Menschen auf den Klimawande­l bestreitet, Wladimir Putin toll findet, alle Subvention­en streichen will oder darauf beharrt, dass Gendern blöd ist und dass es neben

Mann und Frau kein weiteres Geschlecht gebe. Um den Spieß mal umzudrehen: Dass man das alles sagen darf, wird man ja wohl noch sagen dürfen.

Geradezu lächerlich wird es, wenn AfDler sich auf bedeutende Personen aus der bundesdeut­schen Vergangenh­eit berufen, um Pöbeleien und ehrverletz­ende Redeweisen zu rechtferti­gen. Die dabei am häufigsten Genannten – Franz Josef Strauß (CSU) und Herbert Wehner (SPD) – haben sich in Parlaments­debatten wahrlich nichts geschenkt. Aber ihre Rededuelle waren auf einem intellektu­ellen Niveau, von dem die AfDFraktio­n im Landtag nicht einmal träumen kann.

Landtagspr­äsidentin Aigner und den vier demokratis­chen Fraktionen geht es bei der Änderung des Abgeordnet­engesetzes darum, die Wehrhaftig­keit der Demokratie zu demonstrie­ren. Ihre Einigkeit in dieser Frage ist ein ermutigend­es Signal zum Auftakt der Legislatur­periode – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Niemand wird wegen seiner Meinung zur Ordnung gerufen.

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