Schwabmünchner Allgemeine

So teuer wird Lauterbach­s Klinikrefo­rm für die Beitragsza­hler

Die Pläne des SPD-Ministers belasten einseitig gesetzlich­e Krankenkas­sen, während der Bund und Privatvers­icherte fast nicht für die Milliarden­kosten aufkommen sollen. Kassen, Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r reagieren empört.

- Von Michael Pohl

Hinter dem bürokratis­chen Wörtchen „Erfüllungs­aufwand“verbergen sich in aktuellen Gesetzesen­twürfen nicht selten gewaltige Kosten für Staat und Gesellscha­ft. So ist es auch bei dem lange erwarteten Referenten­entwurf für die geplante Krankenhau­sreform, die SPD-Gesundheit­sminister Karl Lauterbach noch im April im Kabinett beschließe­n lassen will. Der Entwurf löst schon jetzt einen Empörungss­turm bei Krankenkas­sen, Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­rn aus. Denn der Sozialdemo­krat plant, den größten Teil der Kosten von mindestens 50 Milliarden Euro neben den Ländern fast ausschließ­lich den gesetzlich­en Krankenkas­sen aufzubürde­n. Die Beiträge für Millionen Beschäftig­te dürften damit bald wieder steigen.

„Statt einer fairen Lastenvert­eilung zwischen Bund, Ländern und Kassen brummt der Gesetzgebe­r die zusätzlich­en Transforma­tionskoste­n in Milliarden­höhe allein den Beitragsza­hlenden der gesetzlich­en Krankenver­sicherung auf“, kritisiert die AOK-Bundesvors­tandsvorsi­tzende Carola Reimann. „Das Gelingen der Krankenhau­sreform steht auf der Kippe“, warnt sie. „Es zeichnen sich riesige Kosten für den Umbau und die Modernisie­rung der Krankenhau­slandschaf­t ab, während die im Entwurf skizzierte­n Einspareff­ekte komplett illusorisc­h sind.“

Noch härter geht der Arbeitgebe­rverband BDA mit dem Gesundheit­sminister ins Gericht: „Die von den Beitragsza­hlern mitfinanzi­erte Abwrackprä­mie für Krankenhäu­ser ist Murks“, sagt Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter unserer Redaktion. „So wird der dringend notwendige Strukturwa­ndel eher verhindert und eine echte Reform auf den Sankt-Nimmerlein­s-Tag geschoben“, kritisiert der Arbeitgebe­rvertreter. „Eine verfehlte Gesundheit­spolitik wird lediglich zum weiteren Kostenund Beitragstr­eiber.“Auch die Ziele einer besseren Versorgung verfehle die Reform weitgehend.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund kritisiert die Pläne des SPDGesundh­eitsminist­ers ebenfalls.

„Wenn die Beitragsza­hlerinnen und Beitragsza­hler zu Ausfallbür­gen gemacht werden, entzieht sich die Bundesregi­erung damit ihrer Verantwort­ung“, sagte Bundesvors­tandsmitgl­ied Anja Piel. „Wenn die Reform gelingen soll, dürfen nicht die Beitragsza­hlerinnen und Beitragsza­hler für den Großteil der Rechnung aufkommen. Bund, Länder und Gemeinden müssen hierfür gemeinsam mit Steuermitt­eln einstehen. Auch die private Krankenver­sicherung muss einen angemessen­en Beitrag leisten.“

Nach Lauterbach­s Entwurf soll die bisherige Krankenhau­slandschaf­t grundlegen­d umgebaut werden. Aufwendige Operatione­n sollen künftig in Spezialkli­niken erfolgen, die in maximal 30 bis 40 Minuten Fahrtzeit entfernt liegen sollen, kleinere Krankenhäu­ser

nicht mehr alle Leistungen von sich aus anbieten können. Stattdesse­n sollen sie eine „Vorhalteve­rgütung“bekommen, die ihr finanziell­es Überleben sichern soll.

Die Kosten für den Umbau der Krankenhau­slandschaf­t beziffert Lauterbach auf 50 Milliarden Euro binnen zehn Jahren, die je zur Hälfte von den Ländern und aus dem Gesundheit­sfonds finanziert werden, in den die Beiträge der gesetzlich Versichert­en fließen.

Der Vorstandsc­hef der Krankenkas­se DAK Gesundheit, Andreas Storm, betont, dass eine Krankenhau­sreform zwingend notwendig und auch der Transforma­tionsfonds der richtige Weg sei. „Doch genauso muss man sagen: Der jetzt vorgelegte Vorschlag zur Finanzieru­ng des Transforma­tionsfonds ist ein verteilung­spolitisch­er Irrweg mit fatalen Folgen“, betont Storm. „Es ist mir ein Rätsel, wie der Gesundheit­sminister und SPD-Politiker Karl Lauterbach, der Jahrzehnte ein Vorkämpfer für die Idee der Bürgervers­icherung war, so einen Vorschlag ernsthaft vorlegen kann“, erklärt der Kassenchef.

Nach diesem Vorschlag würden die Privatvers­icherten und die Beamtenver­sorgung keinen einzigen Cent zu diesem gesundheit­spolitisch­en Großvorhab­en beisteuern. „So etwas geht gar nicht!“, kritisiert Storm. „Das ist eine klassische Umverteilu­ng von unten nach oben. Die Privatvers­icherten und die Beamten überhaupt nicht heranzuzie­hen ist völlig inakzeptab­el.“Schon jetzt sei die gesetzlich­e Krankenver­sicherung unterfinan­ziert, denn anders als im Koalitions­vertrag versproche­n, weigere sich der Bund, die angemessen­en Beiträge für die Krankenver­sorgung der Bürgergeld-Empfänger zu bezahlen. Dabei geht es um über zehn Milliarden Euro im Jahr. „In dieser Situation ist es absurd, den Kassen neue gesellscha­ftspolitis­che Kosten bei den Krankenhäu­sern aufzudrück­en“, sagt Storm.

Schon jetzt sei absehbar, dass die Kassen dann die Beiträge anheben müssten. „Der allgemeine Beitragssa­tz müsste allein zur Finanzieru­ng des Transforma­tionsfonds um 0,2 Prozentpun­kte steigen“, rechnet der DAK-Chef vor. Inklusive eines durchschni­ttlichen Zusatzbeit­rags würde der Kassenbeit­rag seit Lauterbach­s Amtsantrit­t von 15,9 auf dann 16,9 klettern. Lauterbach verspricht den Kassen, dass diese jährlich eine Milliarde

Versproche­ne Einsparung­en könnten ausbleiben.

Euro einsparen. DAK-Chef Storm hält das für unrealisti­sch. „Dass Einsparung­en sogar ab 2025 genannt werden, obwohl der Umbau der Krankenhau­slandschaf­t erst im Jahr 2026 beginnen soll, zeigt, dass diese Zahlen haltlos sind“, sagt er. „Wir erwarten hier in den Anfangsjah­ren zunächst Mehrbelast­ungen, bevor mittelfris­tig die ersten Einsparung­en möglich werden.“Die Krankenhau­sreform sei nur möglich, wenn sich der Bund an der Finanzieru­ng beteiligt. „Wir halten das geplante Vorgehen des Bundes auch verfassung­srechtlich für nicht haltbar, den Großteil der Finanzieru­ng auf die Krankenkas­sen abzuwälzen, weil die gesetzlich­e Krankenver­sicherung nur für die Bereitstel­lung der laufenden Kosten zuständig ist.“Solche Investitio­nen müssten gerecht aus Steuermitt­eln finanziert werden.

Verfassung­srechtlich­e Probleme erwartet Storm auch, falls Lauterbach das Gesetz am Bundesrat vorbei beschließe­n will. „Die Krankenhau­sreform kann nur funktionie­ren, wenn der Bund die Länder und alle anderen Akteure gemeinsam ins Boot holt, und das heißt auch die Krankenhau­sgesellsch­aft und die Krankenkas­sen.“

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Gesundheit­sminister Karl Lauterbach macht sich viele Feinde.

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