Schwabmünchner Allgemeine

Mahner gegen Menschenfe­indlichkei­t

Wenn Josef Schuster, der Präsident des Zentralrat­s der Juden, seinen 70. Geburtstag begeht, ist ihm nicht richtig zum Feiern zumute. Denn die Lage für die Gläubigen ist in Deutschlan­d wieder angespannt.

- Von Michael Czygan

Viel Aufsehen um diesen Ehrentag will Josef Schuster nicht machen: Seinen 70. Geburtstag an diesem Mittwoch, 20. März, begeht der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d in kleinem, familiären Kreis. Ende November folgt ja schon das nächste Jubiläum: Zehn Jahre steht der Arzt aus Würzburg dann an der Spitze der Vertretung von rund 100.000 Jüdinnen und Juden in Deutschlan­d.

Groß nach öffentlich­en Feiern ist der jüdischen Gemeinscha­ft in Deutschlan­d dieser Tage aber nicht zumute. Wer die Hoffnung hatte, die bundesrepu­blikanisch­e Gesellscha­ft habe – als Lehre aus der Shoah, der industriel­len Vernichtun­g von über sechs Millionen Jüdinnen und Juden – ihren Antisemiti­smus zumindest öffentlich tabuisiert, sieht sich ernüchtert:

Seit dem Hamas-Überfall auf Israel und dem Beginn des Gaza-Krieges sind Menschen jüdischer Herkunft hierzuland­e vielerorts unverhohle­n Hass und Übergriffe­n ausgesetzt. Im öffentlich­en Leben, besonders eklatant in Universitä­ten und im Kulturbetr­ieb.

Josef Schuster ist als Lobbyist des Judentums, mehr aber noch als Mahner gefragt – und geachtet. Er hat Einfluss auf die gesellscha­ftliche Debatte, weil er seit jeher glaubwürdi­g das Wort erhebt, wenn Minderheit­en bedroht werden, wenn sich gruppenbez­ogene Menschenfe­indlichkei­t breitmacht. Und wenn es Menschenre­chte und Demokratie zu verteidige­n gilt. Der Zentralrat­spräsident ist überzeugt: Antisemiti­smus ist ein Seismograf für die Brüchigkei­t des zivilen Miteinande­rs. Wo Jüdinnen und Juden angegriffe­n werden, sind Attacken gegen Muslime, gegen Geflüchtet­e, gegen queere oder politisch unbequeme Menschen nicht fern.

Josef Schuster wurde das gesellscha­ftliche Engagement bereits in die Wiege gelegt. Geboren 1954 im israelisch­en Haifa, kam er als Zweijährig­er mit den Eltern nach Würzburg. Unterfrank­en ist seit Jahrhunder­ten die Heimat der Schusters. Aus Bad Brückenau im Kreis Bad Kissingen, wo die Familie ein koscheres Hotel betrieben hatte, konnten Vater David und die Großeltern 1938 gerade noch rechtzeiti­g vor den Nationalso­zialisten flüchten.

David Schuster machte es sich zur Aufgabe, die jüdische Gemeinde in Würzburg und Unterfrank­en nach dem Holocaust wieder zum Leben zu erwecken, den Täterinnen und Tätern reichte er die Hand zur Versöhnung. In diesem Geiste wuchs Sohn Josef auf, wissend um die furchtbare deutsch-jüdische Geschichte, aber eben auch gut integriert in das katholisch geprägte Umfeld. David Schuster führte die Gemeinde von 1958 bis 1996, auf ihn geht unter anderem der Bau einer Synagoge zurück. 1998 folgte der Arzt Josef Schuster, der in Würzburg bis 2020 eine internisti­sche Praxis führte, seinem Vater im Amt. 2002 wurde er zum Präsidente­n des bayerische­n Landesverb­andes der israelitis­chen Kultusgeme­inden, 2010 dann zum Vizepräsid­enten des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d gewählt. Nach dem Rücktritt von Dieter Graumann folgte 2014 die Wahl zum Zentralrat­spräsident­en. Auf internatio­naler Ebene ist Josef Schuster Vizepräsid­ent des World Jewish Congress und des European Jewish Congress.

Josef Schuster ist politisch gut vernetzt, bei den Repräsenta­nten des Staates, allen voran Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, ist sein Wort gefragt. In einem Interview ließ er gerade erstmals durchblick­en, sich nach der aktuellen Wahlperiod­e bis 2026 weitere vier Jahre als Zentralrat­spräsident vorstellen zu können.

 ?? ?? Josef Schuster wird heute 70 Jahre alt. Foto: Joerg Carstensen, dpa
Josef Schuster wird heute 70 Jahre alt. Foto: Joerg Carstensen, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany