Schwabmünchner Allgemeine

Wie Einwandere­rkinder die britische Politik prägen

Vaughan Gething wird am Mittwoch als erster schwarzer First Minister von Wales vereidigt. Dann werden drei der vier nationalen Spitzenpos­itionen in Großbritan­nien nicht mehr in der Hand weißer Politiker sein.

- Von Susanne Ebner

Es waren große Worte, die Vaughan Gething in seiner Dankesrede wählte: Er habe „die Ehre, der erste schwarze Anführer eines europäisch­en Landes” zu werden. Es sei ein „außergewöh­nlicher Moment“und er hoffe, dass dies andere Schwarze ermutige, ihm ins öffentlich­e Leben zu folgen. „Heute schlagen wir eine neue Seite im Buch der Geschichte unseres Landes auf. Eine Geschichte, die wir gemeinsam schreiben werden.”

Der 50-Jährige wurde zum Vorsitzend­en der regierende­n walisische­n Labour-Partei gewählt und soll voraussich­tlich am Mittwoch als First Minister und damit als walisische­r Regierungs­chef vereidigt werden. Damit tritt er die Nachfolge von Mark Drakeford an, der Mitte Dezember seinen Rücktritt erklärt hatte.

In Großbritan­nien ist ethnische Vielfalt in politische­n Spitzenpos­itionen damit „die neue Normalität”, sagt Sunder Katwala von der Denkfabrik „British Future”. Schottland­s First Minister Humza Yousaf ist Sohn pakistanis­cher Einwandere­r. Rishi Sunak, Regierungs­chef von England und Großbritan­nien, ist indischstä­mmig. Durch die Ernennung von Michelle O’Neill zur Ministerpr­äsidentin in Nordirland im vergangene­n Monat ist zudem keiner der Regierungs­chefs der vier Nationen des Vereinigte­n Königreich­s ein weißer Mann. Diese Entwicklun­gen zeigen, wie stark sich die Einwandere­rnation Großbritan­nien innerhalb einer Generation verändert habe, so Katwala.

Rund 14 Prozent der Menschen in Großbritan­nien haben einen Migrations­hintergrun­d. Eine Studie des Forschungs­instituts Policy Exchange hatte vor zehn Jahren prognostiz­iert, dass bis zum Jahr 2050 fast jeder dritte Brite einer ethnischen Minderheit angehören würde. Grund sei unter anderem die höhere Geburtenra­te unter den einst Zugewander­ten. Die meisten Arbeitsmig­ranten kommen aus Indien, gefolgt – aber mit weitem Abstand – von Menschen aus Nigeria

und von den Philippine­n und aus Simbabwe. Vor allem das Gesundheit­swesen ist auf Zuwanderer angewiesen.

Der gesellscha­ftliche Wandel ist auch aus der Vita Gethings abzulesen. Sein Vater, ein Tierarzt aus Südwales, arbeitete in Afrika und lernte dort dessen Mutter, eine sambische Hühnerzüch­terin, kennen. Zurück in Großbritan­nien waren Gething und seine Geschwiste­r die einzigen schwarzen Kinder auf der Schule und rassistisc­he Kommentare an der Tagesordnu­ng, berichtete er einmal in einem Interview. Der Waliser trat mit 17 Jahren der Labour-Partei bei, nachdem er einen Artikel über Nelson Mandela gelesen hatte. Seit 2016 ist er Teil des Kabinetts und seit Mai 2021 Wirtschaft­sminister in Wales. Während der Covidpande­mie machte er sich als Gesundheit­sminister einen Namen, löste jedoch einen Skandal aus, weil er während des Lockdowns im Frühjahr 2020 mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Park Chips aß. Zuletzt war er wegen der Annahme einer Wahlkampfs­pende von umgerechne­t rund 230.000 Euro von einem Unternehme­n, das mit Umweltverg­ehen in Verbindung gebracht wird, in die Kritik geraten. Er lehnte ab, das Geld zurückzuza­hlen. Es seien keine Vorschrift­en verletzt worden.

Nun wird es seine wichtigste Aufgabe sein, die Partei in die voraussich­tlich im Herbst stattfinde­nden Parlaments­wahlen zu führen. Die walisische Bevölkerun­g ist älter und ärmer als etwa die englische. Hinzu kommen die hohen Lebenshalt­ungskosten. Beobachter gehen davon aus, dass der Politiker daher enorme Anstrengun­gen unternehme­n muss, um die Wirtschaft anzukurbel­n und die schwächste­n Teile der Bevölkerun­g zu schützen.

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Foto: Ben Birchall, dpa Vaughan Gething wird Regierungs­chef von Wales.

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