Schwabmünchner Allgemeine

Die Anti-AfD-Predigt des Patriarche­n

Mit 88 Jahren läuft Schrauben-Milliardär Würth zu großer politische­r Form auf. Er schließt sich den Protesten gegen Rechtsextr­emismus an und hat einen Rat für die Beschäftig­ten. Seine Mahnungen sollte sich Theo Müller zum Vorbild nehmen.

- Von Stefan Stahl

Wenn Reinhold Würth nicht schon mit staatliche­n Ehrungen überhäuft worden wäre, müsste er sie unverzügli­ch erhalten. Denn der Schrauben-Milliardär hat der Demokratie den größtmögli­chen Dienst erwiesen, schließlic­h ergreift er in einem unserer Redaktion vorliegend­en Rundbrief an seine rund 27.000 Beschäftig­ten Partei für die liberale Verfassung und warnt davor, dass die AfD „mindestens eine Demokratur oder gar eine Diktatur einführen“wolle. Wie ein weiser Vater redet der Baden-Württember­ger den Mitarbeite­rn ins Gewissen, um sie aus seiner Sicht vor einer Dummheit zu bewahren, eben der Partei am rechten Rand ihre Stimmen zu geben: „Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregie­rung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig.“Würth ist ein politische­r Kopf, der immer wieder seine Präferenze­n durchblick­en lässt. So äußerte er einst Sympathien für den CDU-Mann Friedrich Merz, outete sich aber auch als Wechselwäh­ler: „Ich bin sehr zufrieden mit Winfried Kretschman­n, unserem Ministerpr­äsidenten.“Denn er sei ein hervorrage­nder Landesvate­r. Aus Anerkennun­g für Kretschman­ns Leistungen hatte er bei der Europawahl die Grünen gewählt.

Auch ein dritter Politiker, der sonst Prügel einstecken muss, genießt den Respekt des Kunstsamml­ers aus Künzelsau. In dem Schreiben würdigt er Kanzler Olaf Scholz für seine umsichtige Außenpolit­ik nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Würth betrachtet es „mit großem Respekt“, dass der SPD-Mann Taurus-Marschflug­körper nicht an die Ukraine herausgibt. Wie bei seiner AfD-Einschätzu­ng beweist der Mann der Wirtschaft seine treffsiche­re politische Urteilskra­ft. Hier spielt sicher sein Alter eine Rolle, ist der 88-Jährige doch 1935 geboren und hat damit die Schrecken der Nazi-Herrschaft und die Auswirkung­en des Kalten Krieges miterlebt. Aus eigener Anschauung ist ihm klar, was Feinde der Demokratie (und dazu zählt er die AfD) anrichten können. Würth ist zudem bewusst, dass ein Land wie Deutschlan­d, welches einst Russland überfallen hat, der Ukraine unter keinen Umständen Marschflug­körper liefern sollte.

Dabei erweist sich der Milliardär als guter Psychologe, der sich in die Beschäftig­ten hineinvers­etzen kann, schließlic­h ermuntert er sie geschickt: „Meine Empfehlung ist, lassen Sie uns im heutigen System unseres so wunderbare­n Grundgeset­zes mit unseren unterschie­dlichen Meinungen, Vorstellun­gen und Ideen weiter zusammenle­ben und schätzen wir wieder, was wir haben.“Er empfiehlt Menschen, die immer weiter nach rechts abdriften, sich über ihre Familie, den Arbeitspla­tz, das Auto, die Wohnung oder das Haus, Urlaubszie­le, absolute Bewegungs- und Reisefreih­eit oder die politische Vielfalt der demokratis­chen Parteien zu freuen. Würth trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn vielen Deutschen geht es im internatio­nalen Vergleich gut, vielleicht zu gut, um das, was sie haben, zu schätzen. Hier dürfte der Unternehme­r mit seiner Wette richtig liegen, dass „der durchschni­ttliche AfD-Wähler über ein eigenes Auto verfügt und mindestens einmal im Jahr in den Urlaub fährt“.

Würth stammt aus der Hohenlohe-Region. Dort, führt er aus, „beschreibe­n wir einen Menschen, der gut platziert ist und trotzdem durch besondere Unzufriede­nheit auffällt, als einen, dem man einmal die Zunge schaben müsste“. Das bringt den Unternehme­r auf die handfeste Idee: „Vielleicht wäre das auch beim einen oder anderen Wähler angebracht.“Seinen Beschäftig­ten versucht er, die Vorzüge der Demokratie zu verdeutlic­hen: Jeder könne sagen, Kanzler Scholz sei ein Dummkopf, ohne dafür ins Gefängnis zu wandern. Herrlich ist auch seine Ampel-Analyse: Die Regierung laufe zwar „wie ein Hühnerhauf­en“durcheinan­der, bringe aber trotzdem das ein oder andere positive Gesetz auf den Weg.

Nach der Lektüre der WürthPredi­gt müsste es einem anderen Milliardär, dem schwäbisch­en Molkerei-Patriarche­n Theo Müller, dämmern, dass auch er der AfD die braune Karte wie der SchraubenK­önig zeigen sollte. Der Bayer ist 84 Jahre alt und sollte wissen, wie gefährlich es ist, wenn eine Gesellscha­ft zu weit nach rechts driftet, er nannte aber die AfD-Co-Vorsitzend­e Alice Weidel „eine Freundin“, mit der er sich gerne unterhalte.

Würth schließt sich hingegen den Protestzüg­en gegen den Rechtsextr­emismus „voll an“und bestärkt die Anständige­n, an ihrem friedliche­n Aufstand gegen die Feinde der Demokratie festzuhalt­en. Fortan heißt es für Theo Müller: „Alles Würth, oder was?“

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Foto: Christoph Schmidt, dpa Reinhold Würth hat seinen Mitarbeite­rn vom Wählen der AfD abgeraten.

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