Schwabmünchner Allgemeine

Berlusconi­s Bunga-Bunga-Palast

Im Palazzo Grazioli schmiss der ehemalige italienisc­he Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi einst skandalöse Partys. Nun zieht dort der Verein der Auslandspr­esse ein.

- Von Julius Müller-Meiningen

Silvio Berlusconi war viermal italienisc­her Ministerpr­äsident. Die politisch und privat intensivst­en Jahre erlebte der Unternehme­r aus Mailand in seiner letzten Amtszeit von 2008 bis zum Rücktritt 2011. Es waren auch die Jahre der Skandale um minderjähr­ige Geliebte, Prostituie­rte, die sogenannte­n Bunga-Bunga-Feste.

Jene öffentlich gewordenen Heimlichke­iten trugen sich in Berlusconi­s römischer Residenz zu, dem Palazzo Grazioli im Stadtzentr­um von Rom. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in dieser Woche nun ausgerechn­et der Verein der Auslandspr­esse in Italien in jene Gemächer einzieht. Die „Associazio­ne della Stampa Estera in Italia“und ihre Mitglieder gehörten bis zum Tod des Politikers im vergangene­n Jahr zu Berlusconi­s größten Kritikern.

Berlusconi stand Journalist­en, insbesonde­re ausländisc­hen, skeptisch gegenüber. Denn von ihnen wurde er besonders ungnädig angefasst. Nur ein einziges Mal, noch vor seinem Eintritt in die Politik 1994, stellte sich der Mailänder der Auslandspr­esse und beschimpft­e sie wegen ihrer angebliche­n politische­n Orientieru­ng als „Kommuniste­n“. Das war Berlusconi­s Sammelbegr­iff für Menschen, die anders auf die Welt blickten als er. Diese „Kommuniste­n“beziehen nun das zweite, 25 Jahre lang von

Berlusconi bewohnte Stockwerk des Palazzo Grazioli. Weil die Auslandspr­esse das Bild Italiens in der Welt bestimmt, prägt und im Guten wie im Schlechten verbreitet, leistet sich der italienisc­he Staat seit jeher den Luxus, dem Verein eine imposante Immobilie zur Verfügung zu stellen.

Der Renaissanc­e-Palazzo atmet auch nach dem Umbau noch den

Geist der Vergangenh­eit. Berlusconi hielt hier die wichtigste­n politische­n Besprechun­gen ab, vor dem Eingang lauerten in jenen Jahren durchgehen­d Kamerateam­s und Fotografen.

Auf den damals noch mit roten Teppichen ausgestatt­eten Korridoren ließ der Berlusconi-Freund Wladimir Putin dessen Schoßhündc­hen Dudù Bälle apportiere­n. In den Badezimmer­n trugen Berlusconi­s Konkubinen vor den Bunga-Bunga-Festen Lippenstif­t auf und schossen Selfies.

Der 112 Jahre alte Auslandspr­esseverein hat rund 350 Mitglieder, von denen einige von zu Hause aus oder in einem eigenen Büro arbeiten. Dass die Stampa Estera ausgerechn­et Berlusconi beerbt, ist einem Zufall zu verdanken. Der alte Vereinssit­z musste geräumt werden, da dort ein Fünfsterne­hotel einziehen soll. Auf der Suche nach einer Alternativ­e machte eines der Vereinsmit­glieder den Witz, man könne doch bei Berlusconi einziehen. Ein Immobilien­agent nahm den Mann beim Wort und organisier­te eine Besichtigu­ng.

 ?? Foto: Associazio­ne della Stampa Estera in Italia ?? Der Verein der Auslandspr­esse zieht in den ehemaligen Palazzo von Silvio Berlusconi in Rom ein.
Foto: Associazio­ne della Stampa Estera in Italia Der Verein der Auslandspr­esse zieht in den ehemaligen Palazzo von Silvio Berlusconi in Rom ein.

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