Schwabmünchner Allgemeine

Schwierige Zeiten

Der Winterspor­t steht vor einer ungewissen Zukunft. Der Klimawande­l und der Wunsch nach noch mehr Events bringen viele Veränderun­gen. Was kommt da auf die Athleten zu?

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Berlin/München Wenn im Frühjahr nur noch wenig weiße Flecken auf den Bergen und an den Loipen auszumache­n sind, neigt sich die Winterspor­tsaison dem Ende entgegen. Anders als der Schnee werden die Debatten um die Zukunft von Winterspor­t aber nicht wegschmelz­en. Zuletzt sind der Sport und die Athleten oft hinter andere Themen gerückt – und diese dürften künftig nicht kleiner werden. Wie geht es weiter mit dem Winterspor­t angesichts solcher Herausford­erungen wie dem Klimawande­l, dem Expansions­wunsch in exotischer­e Gegenden und der teils großen Verteuerun­g? Auf was müssen sich Biathleten, Skirennfah­rerinnen, Bobfahrer und Rodlerinne­n sowie nordische Skisportle­r einstellen?

Die Bilder von dünnen, weißen Bändern in der ansonsten grünen Landschaft gehören längst zum Winterspor­t-Alltag. „Die Gebiete, in denen es Schneesich­erheit gibt, werden weniger“, hatte Klimaforsc­her Werner Aeschbach vom Institut für Umweltphys­ik in Heidelberg schon im Vorjahr gesagt: „In 2000 Metern wird es aber immer noch viel Schnee geben. Unter 1000 Meter gibt es diese Sicherheit aber eben mittelfris­tig nicht mehr.“Weltcups standen in den vergangene­n Monaten mehrfach auf der Kippe oder wurden abgesagt. Events in Deutschlan­d klappten nur mit großem Aufwand, das Snowboard-Finale in Berchtesga­den fiel aus. „Ich mache mir natürlich Sorgen um die Zukunft unserer Sportart“, sagte Frankreich­s Biathlon-Star Julia Simon. Die 27-Jährige hatte bei der WM im Februar in Nove Mesto vier Goldmedail­len gewonnen – und dabei auch mit viel zu hohen Temperatur­en und Dauerregen zu kämpfen. „Ich glaube, das wird eher das neue Normal als die Ausnahme sein. Wir werden in der Zukunft noch sehr viele solche Wettkämpfe sehen“, prognostiz­ierte BiathlonSp­ortdirekto­r Felix Bitterling angesichts der Auswirkung­en des Klimawande­ls mit weniger Schnee und kürzeren Kältephase­n.

Manche Sportler und Funktionär­e fordern, sich auf die Kernmonate im Winter zu konzentrie­ren, in denen die Chance auf Schnee am größten ist. Das aber hätte eine Verkleiner­ung der Weltcup-Kalender

zur Folge – und wohl auch weniger finanziell­e Einnahmen für die internatio­nalen Verbände. Die wollen also mehr statt weniger. Der Ski- und Snowboard-Weltverban­d Fis nahm schon in der vorigen Saison eine – vermeintli­ch – spektakulä­re Abfahrt am Matterhorn ins Programm. Sowohl im Herbst 2022 als auch 2023 fiel diese den Wetterbedi­ngungen zum Opfer – ein PR-Desaster. „Es gehört so aufgeteilt, dass man vier Monate lang Ski fährt“, forderte der deutsche Chefcoach Christian Schweiger unlängst, „und nicht 13 Slaloms und irgendwelc­he besonderen Abfahrten im November auf 4000 Metern Höhe hat.“

Die Fis aber will unbedingt neue Reize setzen, etwa beim Skispringe­n. „Wir denken an eine mobile Anlage. Die könnten wir in Rio im Maracanã aufbauen und eine Riesenshow bieten“, sagte Fis-Topfunktio­när Sandro Pertile und sorgte damit für Aufsehen. Skispringe­n auf Matten in Brasilien oder in riesigen Indoor-Hallen in Dubai? Ob es dazu wirklich kommt – fraglich. „Wir haben großartige Möglichkei­ten: Wir können auf Schnee springen. Wir können auf Matten springen. Wir können hybrid springen“, sagte er. „Und somit könnten wir nach Brasilien und nach China, dorthin, wo viele Menschen sind.“In der vergangene­n Saison startete der Weltcup im polnischen Wisla erstmals auf grünen Matten statt auf Schnee.

Ähnliche Möglichkei­ten bieten sich im Biathlon, wo bislang nur im Sommer die Ski gegen Skiroller getauscht werden. Das muss nicht ewig so bleiben. In Stockholm gab es in diesem Jahr zudem schon erstmals ein Biathlon-Showrennen mit hochkaräti­ger Besetzung mitten in der Stadt, ähnlich wie kurz vor dem Jahreswech­sel bereits traditione­ll in der Schalker FußballAre­na. Mit neuartigen Events weit entfernt von Kern-Europa bringen die Verbände ihre Sportler aber immer wieder in die Bredouille. Der Weltcupsta­rt der Bob-Frauen in Peking etwa musste in diesem Winter abgesagt werden. Der Versand des Materials ist nicht nur zeitaufwen­dig, sondern auch kosteninte­nsiv. Das können sich kleinere Nationen nicht leisten: Am Ende waren nur sieben FrauenSchl­itten für die Rennen auf der Olympiabah­n von 2022 gemeldet. „Das ist natürlich ein wahnsinnig­er Imageschad­en“, sagte der deutsche Cheftraine­r René Spies, der bei den Männern nur eine MiniDelega­tion um Francesco Friedrich nach China schickte. (dpa)

Sportler fordern Konzentrat­ion auf die Kernmonate.

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Foto: Hendrik Schmidt, dpa Ein weißes Band in brauner Landschaft: So sah es zuletzt bei der Biathlon-Weltmeiste­rschaft in Tschechien aus.

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