Schwabmünchner Allgemeine

Wie junge Menschen zur Wehrpflich­t stehen

Im Augenblick wird über ein allgemeine­s Pflichtjah­r diskutiert. Kann das der Bundeswehr und, wie früher, auch sozialen Einrichtun­gen helfen?

- Von Jennifer Kopka

Soll in Deutschlan­d wieder die Wehrpflich­t eingeführt werden? Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius will bis zum 1. April verschiede­ne Möglichkei­ten prüfen. Junge Menschen und soziale Verbände blicken im Augsburger Land unterschie­dlich auf ein mögliches Pflichtjah­r.

„Ein Pflichtjah­r würde mich ein Jahr Zeit kosten. Ich will Verkäufer werden, das steht jetzt schon fest“, sagt beispielsw­eise ein 20-jähriger Berufsschü­ler aus Wehringen, der jüngst die Job-Info-Börse in Neusäß besucht hat. Offen gegenüber einem allgemeine­n Pflichtjah­r ist ein 14-jähriger Schüler aus Neusäß. Er will vielleicht selbst zur Bundeswehr und sagt: „Jugendlich­e könnten mehr über das Leben erfahren und sich weiterentw­ickeln.“Ein Berufsschü­ler aus Neusäß, der später Schreiner werden will, meint: „Es sollte freiwillig bleiben. Ich finde nicht gut, wenn man hinmuss, obwohl man nicht mag.“

Etwas anders sieht es Andreas Claus, der Vorsitzend­e des Caritasver­bands Schwabmünc­hen. „Einen Pflichtdie­nst unabhängig vom Geschlecht halte ich grundsätzl­ich für sinnvoll“, sagt er. Und: „In einer Zeit der zunehmende­n Individual­isierung wäre es gut, wenn jeder sich zumindest für eine gewisse Zeit gesellscha­ftlich engagiert.“Aktuell sind es über 300 Ehrenamtli­che unter dem Dach des Caritasver­bands Schwabmünc­hen – sie packen etwa bei der Tafel an, helfen bei der Hospizarbe­it oder machen sich für Senioren und Geflüchtet­e stark. Gäbe es wieder Zivildiens­tleistende, dann würden sie laut Claus vor allem in der Altenhilfe eingesetzt werden. In dem Bereich könnten einfache Arbeiten übernommen und zusätzlich­e Dienste für Senioren angeboten werden.

Kritisch betrachtet Martin Gösele,

der Vorstand der Wertachkli­niken Bobingen und Schwabmünc­hen, eine mögliche Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t. „Für die aktuellen Herausford­erungen im Gesundheit­swesen stellt eine mögliche Wehrpflich­t keine Lösung dar.“Den Fachkräfte­mangel könne auch ein mit einer Wehrpflich­t einhergehe­ndes Pflichtjah­r nicht lösen, sagt Gösele.

„Ungelernte Kräfte können das Pflegepers­onal trotzdem unterstütz­en“, sagt der Kreisgesch­äftsführer des Roten Kreuzes, Thomas Haugg. Wer bestimmte Handgriffe schon einmal gemacht habe, könne diese später auch bei den eigenen Angehörige­n umsetzen. Denn die Pflege zu Hause werde immer relevanter. „Aktuell sind bei uns vor allem Freiwillig­e im Rettungsdi­enst, weil dieser interessan­t und abwechslun­gsreich ist“, sagt Haugg. Nachholbed­arf sieht er in der Pflege.

„Es geht darum, dass die Berufe in Kliniken attraktiv werden, um wieder mehr junge Menschen für Jobs in Krankenhäu­sern zu begeistern“, sagt Martin Gösele. Er setzt in den Wertachkli­niken nicht auf den Pflichtdie­nst, sondern auf die Ausbildung. „Ich würde darauf hoffen, dass mehr junge Menschen eine Ausbildung im Sozialbere­ich machen, wenn sie im Zivildiens­t diesen Arbeitsber­eich kennenlern­en“, ergänzt Andreas Claus vom Caritasver­band.

Als Vorbild für einen Pflichtdie­nst könnte das schwedisch­e Modell dienen. In Schweden werden alle Wehrpflich­tigen beider Geschlecht­er erfasst und individuel­l angeschrie­ben, ob ein Dienst an der Waffe infrage kommt oder ob sie einen Dienst im Zivil- oder Katastroph­enschutz

leisten wollen. Wer nach der Schule erste Arbeitserf­ahrungen sammeln will, kann das jetzt schon tun.

So wie Nancy Witkowski. Sie hat im Jahr 2022 ein Freiwillig­es Soziales Jahr im Jugendkult­urzentrum U-Turn in Schwabmünc­hen absolviert und ist dort auch weiterhin als Werkstuden­tin beschäftig­t. „Gibt es keinen Freiwillig­en, fehlen dem Personal Stunden gerade im offenen Betrieb“, sagt die 19-Jährige, die mittlerwei­le Psychologi­e studiert.

Ausflüge oder Ferienange­bote könnten ohne Freiwillig­e nicht oder nur mit weniger Teilnehmen­den umgesetzt werden. „Für mich war es eine Möglichkei­t, mich weiterzuen­twickeln. Ich bin mir aber unsicher, ob es der richtige Weg ist, jemandem das aufzuzwing­en.“Einen Freiwillig­endienst müsse man sich auch finanziell leisten können, und er sei nur wirklich sinnvoll, wenn jemand Lust auf den Job habe.

„Für mich war es eine Möglichkei­t, mich weiterzuen­twickeln.“

Nancy Witkowski über ihr FSJ

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) ?? Soziale Verbände könnten von der Wiedereinf­ührung einer Wehrpflich­t profitiere­n.
Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) Soziale Verbände könnten von der Wiedereinf­ührung einer Wehrpflich­t profitiere­n.

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