Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Eleganter Kraftprotz mit mäßigem Durst
Der neue BMW 5er überzeugt in fast allen Disziplinen – Mancher Assistent ist gewöhnungsbedürftig
BMW hat seine 5er-Serie neu aufgelegt – in siebter Generation. Seit wenigen Wochen steht die Limousine bei den Händlern, die Touring-Version folgt bis Jahresmitte. Beide haben in den Ausmaßen zugelegt, aber sie sind dennoch leichter, sparsamer und windschnittiger als die Vorgänger. BMW verpasste der neuen Generation jede Menge Assistenten, die das Auto in der Spur halten, beim Lenken unterstützen, bremsen, anfahren, beschleunigen. Auf dem Weg zum autonomen Fahren mischen sich jedoch zu viele Helfer ein. Mit dem neuen 5er macht das Fahren nämlich mehr Freude als das Gefahrenwerden.
Auf den von uns zurückgelegten 1200 Kilometern bestätigt die Business-Limousine ihre exquisite Stellung. Wie kaum eine zweite ihrer Klasse verbindet sie Eleganz mit Sportlichkeit und lässt in Sachen Dynamik keinen Zweifel, aus welchem Stall sie stammt. An das erhabene und gleichzeitig entspannte Fahrgefühl könnten wir uns dauerhaft gewöhnen. Die Kraft und Laufruhe des Sechszylinders mit 265 PS suchen ihresgleichen. Sein Durst ist äußerst mäßig. Im Alltagsbetrieb pendelt sich der Verbrauch auf 6,5 Liter Diesel ein. Die Hinterachsluftfederung mit automatischer Niveauregulierung bügelt jede Unebenheit weg und lässt die 1,7 Tonnen geradezu über den Asphalt schweben. Zusätzliche dynamische Dämpfer verleihen dem Auto eine kaum zu überbietende Kurvenstabilität.
Mit einer Länge von fast fünf Metern und einer Breite von knapp 1,9 Metern erreicht der 5er fast die Ausmaße eines 7er. Das Design wirkt im Vergleich zur Oberklasse noch markanter, die Silhouette sportlicher. Viel Chrom um die Nierenstäbe, die seitlichen Lufteinlässe und die Fenstereinfassung macht deutlich, dass wir hier auf höchstem Niveau unterwegs sind. Ein Eindruck, der sich im Innern fortsetzt.
Lack, Leder, Edelhölzer und ein weitgehend digitalisiertes Umfeld mit Instrumenten und Displays empfangen den Fahrer. Gestühl, Lenkrad und Head-up-Display nehmen automatisch die zuvor programmierte Position ein. Der Selbstzünder blubbert im Stand ganz leise vor sich hin. Welche Kraft in dem Motor steckt, ist jedoch bereits beim Anrollen zu spüren. Man muss das Gaspedal mit der Fußspitze nur kitzeln. Die Dämmung könnte besser kaum sein. Selbst bei hohem Tempo können weder Windnoch Abrollgeräusche den Genuss von Beethovens Eroica aus dem Harman Kardon Surround System nachhaltig trüben.
Die feine Acht-Stufen-Automatik aus dem Hause ZF gehört in dieser Motorisierung zur Serienausstattung. Sie ist perfekt auf den Antrieb abgestimmt und legt passend zum gewählten Fahrmodus in jeder Situation den richtigen Gang ein. Die Fortbewegung in dieser Business-Limousine soll ja nicht in Arbeit ausarten. Und wer’s eher komfortabel, eher sportlich oder betont sparsam mag: bitteschön, er braucht nur den Schalter umzulegen.
Neben der adaptiven Temporegulierung, die von 0 bis 210 km/h Gasgeben wie Bremsen überflüssig macht und das Auto bei stockendem Verkehr sogar automatisch stoppen und wieder anfahren lässt, sind Helfer zum Spur halten und wechseln, zum Lenken, diverse Warnsysteme und optional sogar ein Nachtsichtgerät an Bord. BMW preist die ganze Armada als „Weg zum automatisierten Fahren“an. Eine diplomatische Umschreibung, denn ganz automatisch geht gar nichts, und selbst wenn es den Anschein hat, dann sollte der Fahrer doch immer bereit sein, einzugreifen. Als Faustregel gilt noch: Je mehr Assistenten an Bord und je dynamischer das Fahrzeug, desto aufmerksamer sollte man am Steuer sein.
Als gewöhnungsbedürftig erweist sich die Lenkunterstützung. Ist sie aktiviert, leuchtet in der Mitte des Zentraldisplays und im Head-upDisplay ein grünes Lenkrad. Das heißt aber noch lange nicht grünes Licht fürs Loslassen. Man spürt zwar, dass im Hintergrund etwas mitlenkt, und ist geneigt, das Steuer dem Automaten zu überlassen, aber das gelingt nur für Sekunden. Die Farbe des Lenkrads im Display wechselt schneller als erwartet von grün zu gelb und zu rot. Dann ertönt eine akustische Warnung. Mit der Zeit nervt der Co-Pilot – und wird deaktiviert.
Ähnliches gilt für das ferngesteuerte Längsein- und -ausparken mithilfe des Displayschlüssels. Die Garage ist mit 2,4 Metern zwar breit genug, aber die Sensoren erfassen die handgroßen Teller einer Hebebühne nicht, die den Vorderrädern im Weg stehen. Kein Problem zumindest für den aufmerksamen Chauffeur: Taste am Schlüssel loslassen, und das Fahrzeug stoppt auf der Stelle. Ein solches Parkmanöver erfordert beide Hände und saugt den Akku des Schlüssels schneller leer als erwartet. Das Aufladen funktioniert im Fahrzeug nicht induktiv, wie beim Smartphone, sondern man muss seitlich am Schlüssel eine Gummilasche herauspulen und einen Mikro-USB anstöpseln.
Fürs Big Business mit Abschreibungsoption mag die Luxuslimousine erste Wahl sein. Haltevorrichtungen für drei Kindersitze im Fond machen sie sogar familientauglich. Als persönlicher Begleiter durch den rauen Alltag erscheint uns der neue 5er aber doch zu empfindlich, zumal in der von uns getesteten Luxury Line. Und mit 82 900 Euro übersteigt er das automobile Familienbudget bei Weitem. Dabei ist der Preis durchaus noch steigerungsfähig. Mit Allradantrieb (xDrive 2600 Euro), Glasdach (1250 Euro), Duftkartusche (Ambient Air) und anderen Sonderangeboten aus der 92 Seiten umfassenden Preisliste lässt sich der Mittelklassewagen ohne Weiteres auch in den sechsstelligen Eurobereich treiben.