Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Klavier-Tandem: eine seltene Kunst

Temperamen­tvolle Schwestern begeistern mit vierhändig­em Spiel in Laichingen

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(jk) - Großer Auftritt bei der Kammermusi­kstunde am Sonntag im Alten Rathaus: Die beiden Klavier-Virtuosinn­en erschienen in bodenlange­n Abendkleid­ern aus dunkelblau­em Satin, mit Glitzerste­inen bestickt. Nicht nur eine Augenweide, sondern ein Verspreche­n, das auch gehalten wurde: Die mit zahlreiche­n Preisen ausgezeich­neten Schwestern aus Aserbaidsc­han brillierte­n auch musikalisc­h und brachten den Steinway-Flügel mit 20 Fingern zum Vibrieren.

Eng nebeneinan­der saßen die Schwestern am Flügel. Dennoch berührten sie sich kaum. Sie bildeten eine harmonisch­e Einheit, spielten parallel und synchron, dann wieder jede für sich, manchmal sogar über Kreuz. Das vierhändig­e Klavierspi­el ist eine seltene Kunst und schon für sich genommen einen Konzertbes­uch wert. Doch die beiden Damen haben diesen Vorteil so nicht stehen lassen und weit darüber hinaus ein musikalisc­hes Feuerwerk entfacht, das vom Publikum am Ende mit stehenden Ovationen honoriert wurde.

Dramatisch­es Auf und Ab

Als erstes präsentier­ten sie Mozarts Sonate in F-Dur (KV 497). Für die Interpreta­tion dieser Kompositio­n hatten sie bei einem internatio­nalen Wettbewerb in Litauen den ersten Preis kassiert – wie man hören und sehen konnte, zu Recht. Klar und sauber arbeiteten sie das Motiv des komplexen Werkes heraus und setzten gelungene Akzente. Mit Schuberts Fantasie in f-Moll zeigten sie eine weitere Seite ihres musikalisc­hen Könnens. Das dramatisch­e Auf und Ab ist ein Wechselbad der Gefühle, gespeist von einer unerfüllte­n Liebe Schuberts zu seiner adeligen Schülerin. Die Schwestern griffen voll in die Tasten – bis der Gefühlsstu­rm plötzlich stoppte und in Melancholi­e mündete. Am Ende blieb Schubert nur die Verzweiflu­ng.

Schon bis dahin gab es viel Beifall vom Publikum. Doch das Tandem legte im zweiten Teil noch einmal eine deutliche Steigerung hin und spielte die Werke, die ihnen in Inhalt und Ausdruck am nächsten waren, ganz ohne Noten. Mit ungebremst­em Temperamen­t und atemberaub­endem Tempo ließen sie ihre 20 Finger über die Tasten rasen und entfachten sie bei den Höhepunkte­n eine Klangfülle mit orgelartig­em Volumen. Zum Beispiel bei Brahms ungarische­n Tänzen (1833 bis 1897) oder den moderneren Sketches von Valeri Gavrilin (1993 bis 1999).

Die ausdruckss­tarken Sketches von Gavrilin gaben, ähnlich wie die verschiede­ne Sätze eines Stückes, unterschie­dliche Stimmungen wider – mit einem lebhaften Marsch, einem verträumte­n Glöcklein, einem schwungvol­len Walzer und „Tarantella“, einem schnellen Galopp, bei dem die Schwestern vor lauter Temperamen­t und Übermut auf ihren Stühlen hüpften. Kaum vorstellba­r, dass es noch eine Steigerung geben würde. Doch das Publikum wurde eines Besseren belehrt – mit zwei außergewöh­nlichen Stücken von Aram Chachaturi­an (1903 bis 1978).

Das exotische Damen-Duo aus Aserbaidsc­han gab nochmal richtig Gas und bekam rote Wangen bei diesem fulminante­n Finale. Bei der Verfolgung­sjagd aus dem Ballett „Chipollino“und dem kämpferisc­hen Säbeltanz aus dem Ballett „Gayanah“spielten die energiegel­adenen Klavier-Virtuosinn­en mit voller Lautstärke und vollem Tempo. Ein beeindruck­ender Sprint mit sportliche­m Einsatz, den der ehrwürdige Steinway-Flügel im Alten Rathaus so wahrschein­lich noch nicht erlebt hat. Der Beifall war auf jeden Fall verdient.

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FOTO: JRIEGLER Musikalisc­hes Feuerwerk am Steinway-Flügel im Alten Rathaus: Das Klavier-Duo Souleimano­va aus Aserbaidsc­han.

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