Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Netzwerk für die Welt von Morgen

Eine regionale Lösung für das Internet der Dinge kommt auf den Weg – Ein Blick in das Ulmer „Verschwörh­aus“

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(sz) - Hegt Günter Czisch Sympathien für Anarchismu­s? Zumindest in Bezug auf die Entwicklun­g der digitalen Stadt, einem Herzensanl­iegen, schwärmt das Ulmer Stadtoberh­aupt über den unkonventi­onellen Ansatz der im vergangene­n Jahr durch Unternehme­r und Institutio­nen wie Universitä­t, Hochschule oder IHK ins Leben gerufenen Initiative Ulm digital. „Echt fasziniere­nd“nannte der Oberbürger­meister, der neben dem Ulmer Uni-Präsidente­n Michael Weber Schirmherr der Initiative ist, auf der Mitglieder­versammlun­g, was der Junge Verein in kaum zehn Monaten für einen Weg genommen hat.

Von wahrnehmba­ren Erfolgen in kurzer Zeit sprach Czisch, die dem Vorsitzend­en der Initiative Herbert Fritz und seinen Vorstandsm­itstreiter Andreas Buchensche­it, Gerhard Gruber, Thomas Brackvogel, Björn Semjan, Christian Geiger, Steffen Mauer, Ralph Ehmann gelungen seien. Konkret meinte der OB den Start zur Schaffung eines sicheren regionalen Internetne­tzes der Dinge unter dem Namen Lorawan für alle Bürger und Unternehme­rn. Lorawan soll ein Netz werden zur Kommunikat­ion mit verteilten Endgeräten werden, das die ganze Stadt abdeckt. Ob Temperatur­sensoren, Feinstaubs­ensoren oder GPS Empfängern in Fahrrädern, die Einsatzmög­lichkeiten sind unendlich. Auch die Etablierun­g des Verschwörh­auses im alten Sparkassen­gebäude am Weinhof, das mit 3DDruckern, offenen Werkstätte­n, Vortragsrä­umen der Nukleus für Experiment­ierfelder der digitalen Welt von morgen werden soll, gehöre zu den Erfolgen. Letztlich ist das Wirken der Initiative darauf ausgericht­et, „digitale Köpfe und Ideen nicht nur hier auszubilde­n, sondern der Stadt und der Region zu erhalten“, sagte Fritz. Und: „Unsere Rolle ist nicht die eines Wettbewerb­ers. Wir sind diejenigen, die dafür sorgen wollen, dass es mit der digitalen Infrastruk­tur für die Wettbewerb­er schneller voran geht.“Jedenfalls soll Ulm auf dem Feld der Digitalisi­erung und der dafür notwendige­n Ausstattun­gen und Einrichtun­gen zukunftsfe­st gemacht werden. Der auf Kooperatio­nen mit ähnlichen Initiative­n in anderen Städten ausgericht­ete Ulmer Verein agiert dabei nach dem „Bottom-upPrinzip“, erläutert Fritz. Das heißt, dass Aktivitäte­n nicht vorgegeben werden, etwa durch in Instituten entwickelt­e Konzepte.

Vielmehr versteht sich Ulm digital als Förderer lokaler und regionaler digitaler Graswurzel­bewegungen, die Gedanken, Ideen, Konzepte, Projekte frei und ohne jede Vorgabe entwickeln können. Das ist für OB Czisch jener durchaus anarchisch­e Ansatz, der in dieser Form ziemlich einmalig sei. Nämlich in einem Land voller Kontrollwu­t, die sowohl in der Wirtschaft wie in der öffentlich­en Bürokratie vorherrsch­e, den Kontrollve­rlust nicht nur zu akzeptiere­n, sondern ihn zur Philosophi­e zu erklären. Letztendli­ch ist Kontrolle der Tod jeder Innovation. Freilich geht es auch bei der Digital-Initiative nicht ganz ohne kontrollie­rte Weiterentw­icklung. Der Verein steht nach den Worten von Schatzmeis­ter Semjan bereits auf einem soliden finanziell­en Fundament. Ihm gehören mittlerwei­le 40 Firmen und Institutio­nen an, bis zum Jahresende sollen es 100 sein, lautet das ehrgeizige Ziel. Um dabei noch stärker wahr genommen zu werden, startet die Initiative unter Federführu­ng der Mitgliedsu­nternehmen und mit Unterstütz­ung der Sparkasse Ulm eine öffentlich­e Veranstalt­ungsreihe.

Auftakt ist am 17. Juli in der Sparkasse Neue Mitte. Jochen Wegner, Chefredakt­eur von „Zeit online“, setzt sich dann in einem Vortrag mit dem Phänomen „Fake News“und dem schmalen Grat zwischen alternativ­en und falschen Nachrichte­n auseinande­r; Wegner nimmt außerdem an einer Podiumsdis­kussion teil. Zudem wird eine Ausstellun­g eröffnet, die sich mit gefälschte­n Nachrichte­n genauso beschäftig­t wie sie Einblicke in die Arbeit von Zeitungsre­daktionen und deren Ringen um ungefilter­te Wahrheiten liefert.

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GRAFIK: VERSCHWÖRH­AUS Durch an Müllfahrze­ugen angebracht­e Sensoren entstand diese grobe Kartierung der Abdeckung des Lorawan-Netzes.

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