Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Westerheimweh
Brahms Waldesnacht und stimmungsvolle Pop-Lieder erklingen in der Schertelshöhle
- Wer am Abend eines freundlichen Frühlingstages, zielgerichtet und doch gebadet in von Vogelschreien gesättigter Stille, in Richtung Schertelshöhle Westerheim gegangen ist, hat Gesang aus einem tiefen grünen Trichter – dem sogenannten Kuhloch – gehört. So ging es vielen Besuchern eines besonderen Konzerts, das der Höhlenverein im Rahmen der Biosphärenwoche am Samstagabend organisiert hatte.
Von wohlklingender Spur an die Treppen zur Höhle geführt, durchschauerte einen der Flügelschlag von Fledermäusen über dem Notlicht der steilen Stufen drohend und zugleich lockend. Den Tritt führten dann amorphe Lautmalereien, die auf der zweiten Treppe angekommen, sich formten in die wohlvertrauten Zeilen: „Ain’t no sunshine when she’s gone“. Schneller, vom Wind der Sehnsucht getrieben, wurden die Schritte – und auch tänzerischer.
Hochromantische Höhlenmalereien
Die Höhle-Halle: Schroff steigen die grün-feuchten Felsen mit den Gesängen auf. Ein Sänger rang mit geschlossenen Augen in seinem Lied mit einer Muse um sein Herz. Der Trichter befand sich nun 24 Meter höher und stellte die einzige Öffnung dar, durch die natürliches Licht in die Höhle fiel.
Die Konzertbesucher standen um den Chor Quavoco aus Notzingen. Sandra Beck (Sopran), Gundula Folkerts (Alt), Christoph Scheifele (Tenor) und Jürgen Kieferle (Bass) boten vierstimmigen Pop – oft auch A capella, ab und zu klassisch oder auch jazzig –, Klassik wie Brahms und auch Lieder von Rammstein. Als das Lied „Engel“ertönte: Bilder von feurigen Rammstein-Konzerten und die der Diva Knef, die mit zerknautschter Berliner Stimme die Brachialpoeten in ihrer Engel-„Cover-Version“in den Schatten stellte, waren sofort präsent.
Einen mystischen Touch erhielt der Auftritt durch denn Hall der Lieder in der Schertelshöhle, die von den kalten Wänden an die Ohren der Konzertbesucher reflektiert wurden.
Solistisch völlig zurückgenommen gaben sich Andi Langer (Percussion) und Marco Schettler (Gitarre) als Combo Wagidaus aus Ulm dem Höhlenklang hin. Die Musiker waren ganz Ohr, ganz Werkzeug der überwältigenden Magie der sonderbaren Situation.
Diese Klänge unterfütterte Gundula Folkers mit verzweifelten Erzählungen von Schlaflosigkeit und dem schmerzhaften Poröswerden der Nerven im atemlosen Asphalttempo des Alltags. In die eintretende Stille schwebte dann Brahms „Waldesnacht“: „Waldesnacht du wunderkühle, die ich tausend Male grüß’. Nach dem lauten Weltgewühle, o, wie ist dein Rauschen süß.“
Es entstand durch die Worte und Töne der Romantik eine Atmosphäre vor einem hochkonzentrierten Publikum, die Wärme in die kühle Höhle brachte.
Süße Träume schlichen sich durch die Dunkelheit in die Köpfe der Besucher, als „Sweat Dreams“von den Eurythmics zu hören war. Und dann hüllte „Ein Hoch auf uns“von Andreas Bourany die Schertelshöhle in populäre Festtagsmusik.
Dann wurde es persönlich mit dem Frohsinn einer aus Ruhe und wohltemperierter Gelassenheit gemachten Höhlenbärenseele. Alexander Kneer stimmte das „Höhlenführerlied“an und alle sangen mit: „Frisch von der Kehle, es lebe die Schertelshöhle.“