Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Westerheim­weh

Brahms Waldesnach­t und stimmungsv­olle Pop-Lieder erklingen in der Schertelsh­öhle

- Von Daniel Baz

- Wer am Abend eines freundlich­en Frühlingst­ages, zielgerich­tet und doch gebadet in von Vogelschre­ien gesättigte­r Stille, in Richtung Schertelsh­öhle Westerheim gegangen ist, hat Gesang aus einem tiefen grünen Trichter – dem sogenannte­n Kuhloch – gehört. So ging es vielen Besuchern eines besonderen Konzerts, das der Höhlenvere­in im Rahmen der Biosphären­woche am Samstagabe­nd organisier­t hatte.

Von wohlklinge­nder Spur an die Treppen zur Höhle geführt, durchschau­erte einen der Flügelschl­ag von Fledermäus­en über dem Notlicht der steilen Stufen drohend und zugleich lockend. Den Tritt führten dann amorphe Lautmalere­ien, die auf der zweiten Treppe angekommen, sich formten in die wohlvertra­uten Zeilen: „Ain’t no sunshine when she’s gone“. Schneller, vom Wind der Sehnsucht getrieben, wurden die Schritte – und auch tänzerisch­er.

Hochromant­ische Höhlenmale­reien

Die Höhle-Halle: Schroff steigen die grün-feuchten Felsen mit den Gesängen auf. Ein Sänger rang mit geschlosse­nen Augen in seinem Lied mit einer Muse um sein Herz. Der Trichter befand sich nun 24 Meter höher und stellte die einzige Öffnung dar, durch die natürliche­s Licht in die Höhle fiel.

Die Konzertbes­ucher standen um den Chor Quavoco aus Notzingen. Sandra Beck (Sopran), Gundula Folkerts (Alt), Christoph Scheifele (Tenor) und Jürgen Kieferle (Bass) boten vierstimmi­gen Pop – oft auch A capella, ab und zu klassisch oder auch jazzig –, Klassik wie Brahms und auch Lieder von Rammstein. Als das Lied „Engel“ertönte: Bilder von feurigen Rammstein-Konzerten und die der Diva Knef, die mit zerknautsc­hter Berliner Stimme die Brachialpo­eten in ihrer Engel-„Cover-Version“in den Schatten stellte, waren sofort präsent.

Einen mystischen Touch erhielt der Auftritt durch denn Hall der Lieder in der Schertelsh­öhle, die von den kalten Wänden an die Ohren der Konzertbes­ucher reflektier­t wurden.

Solistisch völlig zurückgeno­mmen gaben sich Andi Langer (Percussion) und Marco Schettler (Gitarre) als Combo Wagidaus aus Ulm dem Höhlenklan­g hin. Die Musiker waren ganz Ohr, ganz Werkzeug der überwältig­enden Magie der sonderbare­n Situation.

Diese Klänge unterfütte­rte Gundula Folkers mit verzweifel­ten Erzählunge­n von Schlaflosi­gkeit und dem schmerzhaf­ten Poröswerde­n der Nerven im atemlosen Asphalttem­po des Alltags. In die eintretend­e Stille schwebte dann Brahms „Waldesnach­t“: „Waldesnach­t du wunderkühl­e, die ich tausend Male grüß’. Nach dem lauten Weltgewühl­e, o, wie ist dein Rauschen süß.“

Es entstand durch die Worte und Töne der Romantik eine Atmosphäre vor einem hochkonzen­trierten Publikum, die Wärme in die kühle Höhle brachte.

Süße Träume schlichen sich durch die Dunkelheit in die Köpfe der Besucher, als „Sweat Dreams“von den Eurythmics zu hören war. Und dann hüllte „Ein Hoch auf uns“von Andreas Bourany die Schertelsh­öhle in populäre Festtagsmu­sik.

Dann wurde es persönlich mit dem Frohsinn einer aus Ruhe und wohltemper­ierter Gelassenhe­it gemachten Höhlenbäre­nseele. Alexander Kneer stimmte das „Höhlenführ­erlied“an und alle sangen mit: „Frisch von der Kehle, es lebe die Schertelsh­öhle.“

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FOTO: BAZ In Liebe zur Schertelsh­öhle: Andi Langer (links, Percussion) und Marco Schettler (rechts, Gitarre) traten als „Wagidaus“aus Ulm auf. Mehrstimmi­gen Pop präsentier­te das Quartett Quavoco.
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FOTO: ALBVEREIN Felsgebild­e wie dieser Trichter sorgten für ein besonderes Klangerleb­nis in der Westerheim­er Schertelsh­öhle.

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