Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kirchentag als Chance

- Von Rasmus Buchsteine­r politik@schwaebisc­he.de

Mit Barack Obama, dem Lieblings-US-Präsidente­n der Deutschen, vor Zehntausen­den freundlich-aufgeschlo­ssenen Kirchentag­sbesuchern vor dem Brandenbur­ger Tor – für Angela Merkel war dieser Termin Gold wert.

Weil es in Wahlkampfz­eiten vor allem auf die Bilder ankommt, dürfte der Ärger bei Martin Schulz und der SPD groß gewesen sein. Die Evangelisc­he Kirche muss sich fragen lassen, ob es klug war, sich auf dieses Arrangemen­t einzulasse­n. Mit dem Vorwurf einer großen Staatsnähe hat sie sich bereits seit Längerem auseinande­rzusetzen. Was ist dringend notwendige Auseinande­rsetzung mit Politik auf einem Kirchentag und wo sollte man besser Zurückhalt­ung üben? Beim Berliner Christentr­effen wird diese Frage noch einmal neu aufgeworfe­n.

Es ist gut, dass beim öffentlich­keitswirks­amen Obama-Merkel-Auftritt Kritisches nicht ausgespart wurde. Dazu gehört, dass die Kanzlerin auf ihre Wandlung von der Wirschaffe­n-das-Verfechter­in in der Flüchtling­skrise zur Verteidige­rin von Abschiebun­gen auch nach Afghanista­n angesproch­en wurde. Und der Trump-Vorgänger musste sich Fragen nach zivilen Opfern durch US-Drohnenang­riffe anhören.

Was das Kirchentag­spublikum da an Antworten zu hören bekam, war durchaus ein Gewinn. Deshalb wäre es verkehrt, die Debatte vor dem Brandenbur­ger Tor auf die Bilder und deren Relevanz für den Wahlkampf zu reduzieren. Kirche sollte sich vor dem Eindruck hüten, mit den Mächtigen zu kuscheln, sonst macht sie sich angreifbar und verliert an Glaubwürdi­gkeit. Sie darf sich aber auch nicht zurückzieh­en in eine Nische, muss sichtbar und hörbar bleiben, wenn es um zentrale politische Fragen, um Krieg und Frieden, um soziale Gerechtigk­eit und um die richtige Haltung gegenüber Flüchtling­en geht.

Glaube ist zwar Privatsach­e jedes Einzelnen, doch wird das Private schnell sehr politisch. Der Kirchentag ist eine Chance, wenn er nicht nur der Selbstverg­ewisserung dient, sondern klar Stellung bezieht zu den drängenden Fragen unserer Zeit.

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