Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kurzschlus­s im Südwesten

In der ersten Ausschreib­ungsrunde fallen alle baden-württember­gischen Windprojek­te durch – Stuttgart kritisiert Modus

- Von Andreas Knoch

- Die Windkraftb­ranche in Baden-Württember­g steht nach einem Rekordjahr 2016 vor einer schwierige­n Zukunft. Der Grund: In der ersten Ausschreib­ungsrunde für Onshore-Windkraftp­rojekte, deren Ergebnisse vor einigen Tagen von der Bundesnetz­agentur veröffentl­icht wurden, ist der Südwesten komplett leer ausgegange­n. Stattdesse­n wurde der Großteil der Projekte Akteuren in Norddeutsc­hland zugeschlag­en.

Seit diesem Jahr müssen sich Planer von Windparks im Rahmen eines Ausschreib­ungsverfah­rens um die staatliche Förderung bewerben. Den Zuschlag bekommen die Projekte mit dem niedrigste­n Angebot – also die Projekte, bei denen die staatliche Förderung am geringsten ist. In der jüngst abgeschlos­senen ersten von drei Ausschreib­ungsrunden in diesem Jahr lag die Spanne der bezuschlag­ten Projekte zwischen 5,25 bis 5,78 Cent pro Kilowattst­unde – ein Wert, mit dem sich Windparkpr­ojekte im windärmere­n Südwesten nicht rentabel darstellen lassen.

„So kann es nicht weitergehe­n. Die Ergebnisse der Ausschreib­ungsrunde zeigen, dass es im System hapert“, erklärte Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) auf dem neunten Windbranch­entag Baden-Württember­g am Mittwoch in Stuttgart. Unterstell­er, der sich in der Vergangenh­eit für den Systemwech­sel von festen Einspeisev­ergütungen hin zu einem Ausschreib­ungsverfah­ren starkgemac­ht hatte, forderte eine „zeitnahe Nachbesser­ung des Systems“. Sein Vorschlag: die Einführung einer Regionalis­ierungskom­ponente, über die ein Teil der ausgeschri­ebenen Mengen verpflicht­end im Süden der Republik installier­t werden müssen.

„Wenn wir die Klimaschut­zziele der Bundesregi­erung erreichen wollen, brauchen wir auch den Ausbau der Windkraft im Süden“, sagte Unterstell­er, der ankündigte, dass sich die Landesregi­erung in den nächsten Wochen intensiv mit den Ausschreib­ungsmodali­täten befassen werde.

Das vergangene Jahr schloss die Windenergi­ebranche im Südwesten noch mit Rekordzahl­en ab: Mit 124 neu installier­ten Windkrafta­nlagen und einer Leistung von mehr als einem Gigawatt in Betrieb ist BadenWürtt­emberg im innerdeuts­chen Länderverg­leich auf Platz fünf vorgerückt. Hinzu kommen Genehmigun­gen für weitere 209 Windkraftr­äder oder 650 Megawatt, die in den kommenden zwei Jahren realisiert werden. Doch spätestens im Jahr 2019 läuft die Branche Gefahr, in der Bedeutungs­losigkeit zu verschwind­en, sollte das Ausschreib­ungssystem so bleiben wie es ist.

Deutliche Kritik am Verfahren äußerte auch Hartmut Brösamle, Vorstand der Wpd AG. Das Unternehme­n aus Bremen hat unter anderem den Windpark Lauterstei­n im Landkreis Göppingen, den größten Windpark in Baden-Württember­g, gebaut. Der Manager verwies auf die Ergebnisse der Ausschreib­ungsrunde, nach denen mehr als 90 Prozent der Projekte Bürgerener­giegenosse­nschaften zugeschlag­en wurden – ein Ergebnis, mit dem im Vorfeld keiner der Beteiligte­n gerechnet hatte. Vielmehr hieß es unisono, dass das neue Vergabedes­ign Bürgerener­gienossens­chaften aus dem Markt drängen würde.

Um das zu verhindern wurden Bürgerener­giegenosse­nschaften im Gegensatz zu profession­ellen Akteuren deutlich niedrigere Zugangshür­den für den Ausschreib­ungsprozes­s eingeräumt. So haben sie vier Jahre Zeit, das Projekt umzusetzen, müssen keine Immissions­chutzgutac­hten erstellen und können dadurch deutlich günstiger kalkuliere­n. Diese Vorteile haben allen Anschein auch etliche profession­elle Akteure genutzt und sich hinter dem Deckmantel einer Bürgerener­giegenosse­nschaft am Ausschreib­ungsverfah­ren beteiligt. Brösamle sprach von „Preisdumpi­ng durch Bürgerener­giegenosse­nschaften“.

Von den 65 bezuschlag­ten Genossensc­haften seien 45 erst im vergangene­n Monat gegründet worden. Nur vier der Projekte hätten überhaupt eine Genehmigun­g. „Hier wird gepokert“, sagte Brösamle, der davon ausgeht, dass die Hälfte der Projekte gar nicht gebaut wird. „Wird das Gesetz nicht geändert, erleidet die Windkraftb­ranche das gleiche Schicksal wie die Solarenerg­ie.“

Unterstell­er fordert Änderungen

Umweltmini­ster Unterstell­er stellte die Erleichter­ungen für Bürgerener­giegenosse­nschaften infrage. „Ich habe den Eindruck, dass einige sehr kreativ unterwegs sind. Dass dadurch profession­elle Anbieter leer ausgehen, kann so nicht bleiben“, erklärte Unterstell­er. Ob sich am Ausschreib­ungsdesign noch vor der Bundestags­wahl etwas ändert, ist allerdings unwahrsche­inlich. „Es besteht die Gefahr, dass die Politik im Wahljahr nicht mehr reagiert“, befürchtet Dirk Güsewell, Leiter des Geschäftsb­ereichs Erzeugung und damit verantwort­lich für Erneuerbar­e Energien bei der Energiever­sorger EnBW. Damit wirkten sich die Verzerrung­en auch auf die nächsten beiden Ausschreib­ungsrunden aus.

Für die Windkraftb­ranche im Südwesten wäre 2017 dann ein komplett verlorenes Jahr.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Techniker justiert ein Windmessge­rät auf einem Enercon-Windkraftr­ad: Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er kritisiert, dass Bürgerener­giegenosse­nschaften unbotmäßig bevorzugt werden.
FOTO: DPA Ein Techniker justiert ein Windmessge­rät auf einem Enercon-Windkraftr­ad: Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er kritisiert, dass Bürgerener­giegenosse­nschaften unbotmäßig bevorzugt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany