Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tod in schwindeln­den Höhen

Vier am Mount Everest entdeckte Leichen lagen seit einem Jahr dort

- Von Deepak Adhikari und Stefan Mauer

(dpa) Vier in dieser Woche am Mount Everest gefundene Tote haben bereits seit dem vergangene­n Jahr dort gelegen. Das teilte das nepalesisc­he Tourismusm­inisterium am Donnerstag mit. Am Vortag hatte man die auf 7950 Meter Höhe entdeckten Leichen als die zweier ausländisc­her Bergsteige­r und zweier Bergführer identifizi­ert.

Der Mount Everest gilt selbst für Extremspor­tler als gewaltige Herausford­erung. Ab ungefähr 7000 Metern werden die Fingernäge­l blau, weil dem Blut Sauerstoff fehlt. Spätestens bei 8000 Metern ist für untrainier­te Menschen Schluss. Ohne künstliche Zufuhr von Sauerstoff bleiben die meisten von ihnen nur wenige Minuten bei Bewusstsei­n. Hinzu kommen die eisigen Temperatur­en, die weit unter dem Gefrierpun­kt liegen. Die Berichte von extremen Höhenwande­rungen sind eindeutig: Der menschlich­e Körper ist nicht dafür gemacht, so weit oberhalb des Meeresspie­gels zu funktionie­ren. Trotzdem setzen sich jedes Jahr Hunderte diesen Strapazen aus. Alleine in diesem Jahr wollen 375 Touristen und rund 400 einheimisc­he Nepalesen den höchsten Berg der Welt besteigen, den 8848 Meter hohen Mount Everest. So viele wie noch nie zuvor. Für mindestens sechs von ihnen endete der Versuch 2017 bereits tödlich. Hinzu kam am Mittwoch die neueste grausige Entdeckung: Retter fanden vier Tote, die bereits seit vergangene­m Jahr auf dem Berg lagen.

„Die Helfer fanden die Leichname in ihren Zelten im Lager 4, als sie eigentlich auf der Suche nach einem anderen Toten waren“, sagte Gyaendra Shrestha, ein Mitarbeite­r des Tourismusm­inisterium­s. Lager 4 liegt auf rund 7950 Metern und ist der letzte Zufluchtso­rt für Bergsteige­r, bevor sie sich an den Aufstieg auf den Gipfel des Everest machen. Am Mittwoch ging man im Ministeriu­m noch davon aus, dass es sich um vier vermisste Bergsteige­r handelte. Als diese jedoch später am selben Tag im Basislager auftauchte­n, änderte sich am Donnerstag die Einschätzu­ng: Die Toten lagen bereits seit 2016 im ewigen Eis nahe des Gipfels.

Kapindra Rai von dem Ausschuss, der für die Sicherheit und Sauberkeit auf dem Berg zuständig ist, zeigte sich davon nicht überrascht: „Wegen des starken Schneefall­s in so großer Höhe ändert sich das Gelände ständig“, sagte er. „Dazu kommt der Sauerstoff­mangel, der anstrengen­de Arbeit fast unmöglich macht. Es kann also durchaus sein, dass Tote erst sehr spät oder gar nicht gefunden werden.“

Verwirrung um Hillary Step

Die schwierige­n Bedingunge­n waren zuletzt auch Grund für eine Kontrovers­e unter den Bergsteige­rn, die vom Everest zurückkehr­ten. Mehrere von ihnen hatten behauptet, der berühmte Hillary Step, eine zwölf Meter hohe Felsformat­ion kurz unter dem Gipfel und das letzte große Hindernis bei dessen Besteigung, sei kollabiert. Kurz darauf meldeten sich jedoch andere Bergsteige­r zu Wort, die dem widersprac­hen. Die hohe Schneedeck­e und schlechte Sicht hätten es lediglich so aussehen lassen, als sei die berühmte Felsstufe verschwund­en. Weder das Tourismusm­inisterium noch der wichtigste Bergsteige­rverband des Landes wollten dazu Stellung nehmen. Beide gaben an, man wolle zunächst weitere Zeugen anhören, bevor man sich offiziell zum Zustand des berühmten Felsen äußere.

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FOTO: DPA Eine Gruppe von Touristen auf der Felsenplat­tform Kala Patar genießt in 5545 Meter Höhe den Blick auf die Everest-Gruppe: Der Aufstieg zum höchsten Berg der Welt ist extrem riskant.

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