Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Poetischer Protest

Ulmer Zelt: Einen Auftakt nach Maß erlebte das Festival in der Au bei Pippo Pollina und dem Palermo Acoustic Quintet

- Von Florian L. Arnold

- Aufmarsch der „Stars“zur Eröffnung des Ulmer Zelts – der italienisc­he „Cantautore“Pippo Pollina mit Band trat (noch) nicht vors ZeltPublik­um – sondern die Macher, die Helfer, die vielen Ehrenamtli­chen, die das Festival in der Friedrichs­au überhaupt erst ermögliche­n. Und sie bekamen einen frenetisch­en Applaus. Zu Recht. Denn auch in diesem Jahr darf man rund um das Zelt großartige Auftritte erwarten, wobei sich in bewährter Manier Bekannte und weniger bekannte Künstler die Klinke in die Hand geben werden.

Als Pippo Pollina zum ersten Mal nach Ulm kam, spielte er vor ganz kleinem Publikum. Jetzt spielte er vor ausverkauf­ten Reihen und bot mit dem „Palermo Acoustic Quintet“rassiges Italienfee­ling mit einer wohltuend politische­n Note, rockigen Einschläge­n und berührende­n Botschafte­n. Die vielleicht wichtigste: „Es wird Zeit“, so Pollina, „dass wir als Künstler politische­r werden und unsere Kunst sich wieder einmischt.“

Der gebürtige Sizilianer, der als Wahl-Züricher hervorrage­nd Deutsch spricht, empfinde das „Versagen“der europäisch­en Politik, die keine Werte mehr vermittle, sondern mit der „Sprache der Wirtschaft“an den Menschen vorbei agiere. Politisch war Pollina immer. Schon seine Musik in den 80er Jahren orientiert­e sich an politisch stark engagierte­n Vorbildern der Singer-Songwriter­Szene, gerade auch aus der sizilianis­chen Heimat. Der nun 55-jährige Pollina zog sich anderthalb Jahre lang aus dem Konzertrum­mel zurück, um sein neues Album „Il sole che verrà“(„Die Sonne, die wieder kommt“) zu konzipiere­n. Das zentrale Thema darin: die Hoffnung. Freilich dürfe diese kein passives Verharren darstellen: „Man muß die Hoffnung ernähren!“Und genau das tat Pippo Pollina an diesem Abend, unterstütz­t von fabelhafte­n Musikern und seinen engagierte­n Liedern, deren Texte man ab und zu auch in Deutsch auf den Zelthinter­grund projiziert bekam.

Schöne Texte sind das, die Werte wie Toleranz, Nächstenli­ebe, Leidenscha­ft, Lebenslust ausrufen. Das alles aber nicht erdenschwe­r und deutsch-nachdenkli­ch, sondern voll süßem „dolce far niente“, durchfärbt von Pop, Jazz und lateinamer­ikanischen Einflüssen.

Mit knackigem Spiel von E- und Akustikgit­arre, kraftvolle­m Kontrabass, Piano, Sopransaxo­fon, Akkordeon und geistreich eingesetzt­er Percussion erlebte man mitreißend­e Musik. Und eingestreu­t immer wieder Erinnerung­en und Erlebnisse Pollinas, die er mit dem Publikum teilte. So etwa an Mohammed Ali, dessen menschlich­e und politische Integrität er schätzt und dem er ein Lied widmete. Fast wehmütig wünschte sich Pollina Alis Ethos von heutigen Sportstars. Die Musik und die sehr persönlich­en Ansagen des Barden rührten das Publikum spürbar an. So amüsant und feierlauni­g der Abend insgesamt auch ausfiel beim Lied „Camminando“, das die Fragen eines Flüchtling­skindes an seinen Vater zum Thema hat, machte Pollina jedem Anwesenden bewusst, wie privilegie­rt es sich in Mitteleuro­pa lebt, während die Welt ringsum von Gewalt und Chaos bestimmt scheint. Pollina und Band aber machten ihren Konzertabe­nd auch zu einer optimistis­ch stimmenden Botschaft.

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FOTO: ARNOLD Musiker Pippo Pollina spielte im Ulmer Zelt.

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