Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Merkel zweifelt Verlässlichkeit der USA an
Kanzlerin fordert nach enttäuschendem G7-Gipfel mehr Eigenständigkeit Europas
(AFP/dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht die USA unter Präsident Donald Trump nach dem enttäuschenden G7-Gipfel in neuem Licht. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt“, sagte Merkel am Sonntag in München bei einem Auftritt mit CSU-Chef Horst Seehofer.
Merkel zielte mit ihren Worten auf die US-Regierung von Präsident Trump, sie bezog aber auch den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU mit ein. Es müsse natürlich bei der Freundschaft zu den USA und Großbritannien bleiben. Aber: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen, wir müssen für unser Schicksal kämpfen“, forderte Merkel. Dabei maß sie einem guten Verhältnis Deutschlands zu Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron besondere Bedeutung bei.
US-Präsident Trump hatte die G7 – die Gruppe der sieben großen Industrienationen – mit seinem Konfrontationskurs in eine schwere Krise gestürzt. Die anderen Staats- und Regierungschefs scheiterten mit dem Versuch, Trump ein Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzvertrag abzuringen. Bei der Haltung zum Klimaabkommen stehe es sechs zu eins, sagte Merkel nach dem Ende der Beratungen am Samstag. Die Isolation der USA in der Frage wurde auch in der Abschlusserklärung deutlich benannt, was ungewöhnlich ist.
Nur in letzter Minute konnte ein totales Fiasko abgewendet werden. Allein in der Handelspolitik näherten sich die Staats- und Regierungschefs am Samstag noch an. Die G7 bekannten sich in der Abschlusserklärung dazu, „Märkte offen zu halten und Protektionismus zu bekämpfen, während wir uns gegen alle ungerechten Handelspraktiken stellen“. Was unter solchen ungerechten Praktiken zu verstehen ist, blieb aber offen – entsprechend unzufrieden waren die meisten Gipfelteilnehmer.
Lediglich Donald Trump zeigte sich von den Ergebnissen des Gipfels sehr angetan. Seine Reise nach Europa sei „ein großartiger Erfolg für Amerika“gewesen, schrieb der USPräsident am Sonntag bei Twitter.
Daheim erwarten ihn nun die Affären um die Kontakte seines Wahlkampflagers zu Russland.
(dpa) - Beim Einmarsch ins Truderinger Festzelt überlässt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) seinem Gast das Händeschütteln. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kämpft sich durch die Reihen, nimmt den Applaus der CSUBasis entgegen, prostet nach ihrer Rede begeistert in die Menge und lässt sich bei Salutschüssen und Blasmusik feiern. Am Schluss stehen die beiden Parteichefs vor 2500 Zuschauern einträchtig auf der Bühne.
Erst drei Monate ist es her, dass CDU und CSU einen Versöhnungsgipfel brauchten, um ihre Differenzen in der Flüchtlingspolitik zu überwinden. Beim Wahlkampfauftritt im Bierzelt in München ist die Mission vier Monate vor der Bundestagswahl nun klar: Einigkeit demonstrieren. Merkel lobt Seehofers Regierungsarbeit. „Schaut nach Bayern“, das habe sie CDU-Wahlkämpfern empfohlen. Seehofer will zum zurückliegenden Flüchtlingskrach mit Merkel eigentlich gar nichts sagen. Er halte sich an den Rat einer engen Mitarbeiterin, einer Juristin: „Wer sich verteidigt, klagt sich an.“Später schiebt er nach: „Die Bayern sind prinzipiell ein friedfertiges Volk. Der bayerische Löwe braucht nur regelmäßig Futter.“Er spielt auf die Reform des Länderfinanzausgleichs an, von der Bayern eine Milliarden-Entlastung erwartet. Sollte die Union die Wahl gewinnen, wird er von Merkel eine gehörige Portion „Futter“verlangen. Denn ein Jahr später steht die bayerische Landtagswahl an. Seehofer kündigt einen „Deutschlandplan 2025“an, „in dem allen Menschen Sicherheit und Wohlstand zugesichert werden“.
Merkel macht aber nicht nur locker auf Wahlkampf. Die vergangenen Tage – vor allem der G7-Gipfel – lassen sie offenbar nicht los. Und so nutzt sie ihre Rede angesichts der schweren Krise des G7-Bündnisses und tiefgreifender Differenzen mit den USA zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für Europa.