Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die Nummer 1 braucht Lösungen
Für Angelique Kerber sind die French Open 2017 nach 82 Minuten vorbei – 2:6, 2:6 gegen Jekaterina Makarowa
(SID/dpa) - Angelique Kerber saß anderthalb Stunden nach ihrer bislang bittersten Saisonniederlage geknickt vor der Weltpresse. Nach dem Erstrunden-K.o. von Paris wirkte die formschwache Nummer 1 der Tenniswelt zwar niedergeschlagen – aber angesichts des neuen Tiefpunkts auch zum Handeln entschlossen. „Irgendetwas wird sich ändern müssen. Die Situation ist schwierig und der Weg schmerzhaft. Ich werde in den nächsten Tagen überlegen, was ich mache“, kündigte Kerber nach dem deprimierenden 2:6, 2:6 in der 1. Runde der French Open gegen Jekaterina Makarowa aus Russland an.
Die Hoffnung, den verflixten Teufelskreis aus Misserfolgen und fehlendem Selbstvertrauen endlich zu durchbrechen, erfüllte sich auch in Paris nicht. Im Gegenteil: Die Art und Weise der Niederlage gegen die Weltranglisten-60. Makarowa war ein weiterer Tiefschlag für die zweimalige Grand-Slam-Siegerin von 2016. Die Russin benötigte gerade einmal 82 Minuten, um ihre Gegnerin nach allen Regeln der Kunst vorzuführen. Dass danach in der Kabine Tränen geflossen waren, sah man Angelique Kerbers roten Augen an.
Gut möglich, dass die strauchelnde Kerber dem Rat von Boris Becker folgen wird und Steffi Graf um Hilfe bittet. „Wenn sich jemand mit Druck und der Nummer-1-Bürde auskennt, dann ist es die ,Gräfin‘. Steffis Tipps sind immer gut und werden nie alt. Sie weiß, von was sie spricht“, sagte der dreimalige Wimbledonsieger Becker dieser Tage. Dass etwas passieren muss, weiß Kerber, die mit ihrer Rolle als Branchenführerin Probleme hat. „Die Erwartungen von außen und auch von mir selbst sind in diesem Jahr ganz anders. Ich weiß eben, was ich kann, und was ich letztes Jahr gezeigt habe“, sagte die Linkshänderin. Sie müsse nun versuchen, mit all dem Druck klarzukommen. Kerber machte keinen Hehl daraus, dass es bei ihr derzeit eine Kombination von mentalen und spielerischen Defiziten gibt. Die Niederlage von Paris war nur die logische Konsequenz ihrer Sandplatz-Auftritte 2017. Aber: „Ich liebe das Tennisspielen und muss jetzt Lösungen finden.“
Becker empfiehlt „neue Impulse“
Das sieht auch Boris Becker so. „So kann es nicht weitergehen, das weiß sie am besten. Es muss jetzt ehrliche Manöverkritik laufen“, sagte Becker als Experte im Fernsehsender Eurosport. „Jetzt muss sie mal Titel verteidigen, Punkte verteidigen, sonst stürzt sie ins Bodenlose.“Ein Wechsel im Trainerstab könne da durchaus eine Möglichkeit sein. „Nichts gegen Torben Beltz, aber es ist keine Schande, sich auf dem Markt umzuschauen. Sie braucht neue Impulse, neue Worte, neue Inspiration“, sagte Boris Becker.
In der Geschichte des Profitennis hatte nie zuvor die Topgesetzte die 2. Runde von Roland Garros verpasst. Doch Kerber zeigte sich gegen Makarowa auf dem Centre Court erneut schwach und bestätigte die Eindrücke der vergangenen Wochen. Nur zwei von 16 Breakchancen nutzte sie, gleich sechsmal gab Kerber dagegen den eigenen Aufschlag ab. Im Linkshänderinnen-Duell mit der Australian-Open-Halbfinalistin von 2015, wehrte sich die Deutsche zwar nach Kräften, doch wie zuletzt so oft agierte sie zu passiv – und wirkte frustriert. Nur fünf direkte Gewinnschläge gelangen der amtierenden US-OpenSiegerin im ersten Satz. Nach dem Ausscheiden gab sie zu Protokoll: „Am Ende ist es vielleicht gut, dass die Sandplatz-Saison jetzt vorbei ist.“
Die (Werbe-)Termine abseits der Courts sollen nicht für Angelique Kerbers Krise verantwortlich sein, die hat die Kielerin, die Platz eins in der Weltrangliste nach den French Open verlieren könnte, in Absprache mit ihrem Manager Aljoscha Thron seit Februar auf ein Minimum reduziert.