Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Der Gesetzgeber hat versagt“
- Die möglichen Absprachen zwischen Autobauern legen für Klaus Müller (Foto: dpa), Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), den Schluss nahe, dass es sich um kollektiven Vorsatz handelt. Im Gespräch mit Tobias Schmidt hält Müller statt vielen Einzelklagen eine Musterfeststellungsklage für sinnvoll.
Bereits vor einem Jahr haben sich VW und Daimler wegen rechtswidriger Kartellabsprachen selbst angezeigt. Warum erfährt die Öffentlichkeit erst jetzt davon?
Die zuständige Kartellbehörde muss zunächst Ermittlungen durchführen. Dass es möglicherweise Absprachen zwischen Autoherstellern gegeben hat, ist für Verbraucher natürlich ein herber Schlag. Seit fast zwei Jahren wird gerätselt, ob der Dieselskandal nur ein Vergehen von Volkswagen war, oder auch von anderen Konzernen. Die Berichte über das Kartell von insgesamt fünf deutschen Autobauern legen nahe, dass es sich um kollektiven Vorsatz gehandelt hat.
Welcher Schaden ist den Millionen Verbrauchern entstanden?
Zu beziffern ist der Schaden noch nicht. Es ist unklar, wie viele Segmente der Autos betroffen sind. Die Absprachen gingen Medienberichten zufolge ja weit über Manipulationen beim Diesel hinaus. Womöglich haben die Anbieter den Wettbewerb ausgeschlossen, sodass die Kunden einen deutlich zu hohen Preis bezahlt und dafür nicht die besten Autos bekommen haben. Damit wären Verbraucher geschädigt, das ist klar.
Wie können sich die Kunden wehren?
Leider kann ich im Moment nur zu Geduld raten. Die zuständige Kartellbehörde muss jetzt offiziell ermitteln und eine Entscheidung treffen. Diese Entscheidung wäre die Grundlage für nachfolgende Schadenersatzklagen. Eine Vielzahl von Einzelklagen wäre denkbar. Auch nach Auffliegen des LkwKartells etwa hat es massenhaft Klagen gegeben. Sinnvoller als viele Einzelklagen von Verbrauchern, wäre aber eine Musterfeststellungsklage. Diese fordern wir seit Langem. Sie würde es leichter machen für die Gerichte und für die Unternehmen, und es wäre viel effizienter für die Betroffenen.
Bisher hat die Regierung Musterfeststellungsklagen blockiert. Gibt es jetzt Hoffnung auf ein Umdenken in Berlin?
Die Große Koalition hat es in dieser Legislaturperiode nicht geschafft, dieses Instrument endlich einzuführen. Das Thema gehört zwingend in den nächsten Koalitionsvertrag. Dann wäre zur Klärung offener Rechtsfragen nur eine Klage nötig, nicht viele, und Verbraucher wären nicht mehr von Verjährungen betroffen. Zweitens brauchen wir einen pauschalen Schadensersatz im Kartellgesetz. Denn wenn jeder Verbraucher konkret nachweisen muss, welcher Schaden ihm durch das Kartell entstanden ist, ist es viel schwerer, Geld zurückzuerhalten. Wir brauchen Beweiserleichterungen und gesetzliche Vermutungen zur Schadenshöhe.
Hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) versagt, wenn es um die Interessen der Kunden geht?
Es gibt offenbar eine unheilvolle Allianz zwischen Politik, Behörden und Unternehmen. Der Gesetzgeber hat versagt, mit schwammigen Gesetzen hat er der Industrie keinen Gefallen getan. StickoxidWerte dürfen nicht nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, es geht um die Gesundheit der Menschen.