Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Czisch beschwört Europas Werte
Viel Applaus für klares Bekenntnis zur EU während der Schwörrede 2017
- Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) hat an die Einwohner der Donaustadt appelliert, sich ungeachtet von Herkunft und kulturellen Unterschieden für das Gemeinwohl zu engagieren. Besonders das Engagement für Europa sei für eine Stadt wie Ulm lebens- und überlebenswichtig.
Es regnet an diesem Schwörmontag um kurz vor 12 Uhr schon fast eine Stunde, mal mehr, mal weniger. Der Weinhof bietet aus Czischs Perspektive vom Balkon des Ulmer Schwörhauses ein buntes Bild aus aufgeklappten Regenschirmen. Wieder sind Tausende unterwegs, um den Rechenschaftsbericht zu hören. Und sie wollen wissen, wohin sich Ulm entwickeln wird.
Als Czisch sein klares und deutliches Bekenntnis zu Europa ablegt, wird der bisher bisher verhaltene, höfliche und interessierte Applaus der Zuhörer lauter: „Von der Dramaturgie her war das so gewollt“, wird Czisch später der „Schwäbischen Zeitung“sagen.
Der Oberbürgermeister stellt klar: „Für die Bürgerinnen und Bürger in unseren Städten war und ist die Europäische Union das Fundament für ein friedliches Zusammenleben und für wirtschaftliche Entwicklung.“Konkret für Ulm heißt das: „Die längste Friedensperiode in Europa und damit auch die längste Periode ununterbrochener städtischer Entwicklung verdanken wir dem europäischen Projekt. Jeder sollte sich für Frieden, Freiheit und Demokratie einsetzen, es steht viel auf dem Spiel.“
Tragfähigkeit der Wertegemeinschaft?
Freilich seien auch kritische Fragen zu stellen: „Wie ist es um die Tragfähigkeit der Wertegemeinschaft der Europäischen Union bestellt?“In Blick auf Polen, Tschechien und Ungarn, deren Regierungen sich derzeit gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge stemmen, will Czisch wissen: „ Wie steht es um Solidarität und Gemeinschaftssinn? Und wie steht es um die Zukunft Europas insgesamt?“
Der gegenwärtige Zustand der Europäischen Union lasse kein zufriedenes Zurücklehnen zu, denn Europa stecke in einer existenziellen Krise. Dennoch: „Es gibt aber keinen Grund zu resignieren. Immer mehr Menschen erheben ihre Stimme für Europa, auch in Ulm zum Beispiel mit der Aktion ,Pulse of Europe’.“
Aus dem Europa-Gedanken entwickelt Czisch seine Vision für die Donaustadt: „Wir verstehen uns als internationale und solidarische Stadt, ohne Wenn und Aber“, betont er. Vielfalt sei aber „nur dann positiv, wenn klar ist, was das Gemeinsame ist und dass das Gemeinsame das Trennende überwiegt.“
Mit Blick auf die Zukunft sagt Czisch, die Stadt werde ihr Netzwerk aus Wissenschaft und Wirtschaft ausbauen. Ulm wolle digitale Vorzeigestadt werden.
Zum Abschluss der Schwörrede leistet der Rathauschef zum tiefen Klang der Schwörglocke im Ulmer Münster zum zweiten Mal in seiner Amtszeit den althergebrachten Schwur, „Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein“.
Den Eid auf die Stadtverfassung, sich für alle Bürger gleichermaßen einzusetzen, legen Ulmer Stadtoberhäupter bereits seit 620 Jahren ab. Das Verfassungsfest wird stets am vorletzten Montag im Juli als Ulmer „Nationalfeiertag“begangen.
Kaum ist die Schwörglocke verklungen, öffnet der Himmel seine Schleusen: „Nabada für alle“, verkündet Czisch und verlegt die Ehrung von zwei Wissenschaftlern kurzerhand ins Rathaus.
Die Schwörrede ist, wie jedes Jahr, Auftakt für Volksfeste und Partys mit Tausenden Besuchern. Besonders populär ist das Nabada („Hinunterbaden“) auf der Donau mit Hunderten Aktiven in Schlauchbooten und selbstgebauten Wasserfahrzeugen. Am Nachmittag lockert die bis dahin dichte Wolkendecke auf: Die Donau wird zum Spaßbad für Wasserratten. Auf dieser Ausgabe finden Sie einen Beitrag über das Scorpions-Konzert vom Sonntagabend. Unter
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