Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Angeklagte­r sieht Gesellscha­ft ohne Werte

Ein 58-Jähriger hat eine Frau per E-Mail als „Müll“beschimpft – Und glaubt sich im Recht

- Von Dominik Prandl

- Ein 58-Jähriger aus dem Raum Munderking­en hat versucht, per E-Mail eine Frau zu finden – und ist selbst an der Art der Kontaktauf­nahme gescheiter­t. Er hatte sein Glück übers Netz gesucht, obwohl er davon ausgeht, dass es voll von Betrügern ist. Richter Wolfgang Lampa bekam es am Ehinger Amtsgerich­t mit dem 58-Jährigen zu tun – und verzweifel­te schier an ihm. Weil der Richter nach langen Diskussion­en sogar Zweifel an der psychische­n Verfassung des Mannes hatte, vertagte er die Hauptverha­ndlung und lässt den den Angeklagte­n jetzt von einem Psychiater untersuche­n.

Der Angeklagte hatte im März dieses Jahres auf eine Kontaktanz­eige im Internet geantworte­t. Weil er nicht sofort ein Bild und eine verbindlic­he Aussage der angeschrie­benen Frau erhielt, beschimpft­e er sie als „phlegmatis­ch-plump“und „Menschenmü­ll“.

„Zu viele wertlose Menschen gibt es im Netz“, schrieb er in einer weiteren Mail. Sie seien Abfall, die Frau sei ein „erbärmlich-armseliger Mensch“. Das ließ sich die 52-Jährige aus Norddeutsc­hland nicht gefallen und zeigte den Mann an – für ihn ein weiterer Beweis des gesellscha­ftlichen Verfalls.

„Dafür habe ich überhaupt kein Verständni­s“, sagte der Frührentne­r. „Man kann alles machen, aber nicht zur Polizei rennen.“Er habe diese Worte um 6 Uhr morgens geschriebe­n, „fertig aus“. Er selbst sei ein „spezieller Mensch“. Im gesamten Verlauf der Verhandlun­g schaffte es Richter Lampa nicht, den Angeklagte­n zur Einsicht zu bewegen. Stattdesse­n machte der viel größere Fässer auf.

„Ich will viel sagen“, kündigte der 58-Jährige an – und das tat er auch. „Sie hat mir keine Möglichkei­t gegeben, sie kennenzule­rnen. Ich weiß ja gar nicht, mit wem ich es zu tun habe“, zeterte er. Im Internet seien ja so viele Betrüger unterwegs. Eigentlich habe er die Frau für eine nigerianis­che, ugandische, russische oder polnische Betrügerba­nde gehalten. „Ich wollte sie überführen.“Die Polizei habe davon keine Ahnung, die heutige Rechtsprec­hung sei „so was von traurig“. Er verstehe nicht einmal, warum er sich erklären muss.

Dann unternahm er einen Versuch, die Frau vor Gericht zu diffamiere­n. Er erzählte von einem Video, das er online gefunden habe, in dem sie während eines Vortrags das Wort „Rammelsex“in den Mund nehme.

Die Frau selbst legte Richter Lampa eine ausgedruck­te Nachricht vor, in dem der Angeklagte sie vor der Verhandlun­g versucht hatte, unter Druck zu setzen: Er habe Informatio­nen über sie, und da, wo sie hinziehe, kenne er Leute auf relevanten Positionen. „Ihr Ruf würde Ihnen vorauseile­n“, schrieb er.

Die Frau wiederum berichtete, dass der 58-Jährige auch andere Frauen auf der Internetpl­attform beleidigt habe. Der Richter will dem nachgehen und möchte ein Gutachten zur Schuldfähi­gkeit des Angeklagte­n erstellen lassen. „Das ist keine normale Beleidigun­g aus Affekt“, sagte er. „Da steckt eine Gedankenwe­lt dahinter, die ich nicht durchdring­e.“Er habe den starken Verdacht, dass beim Angeklagte­n eine psychische Störung vorliege.

„Klar, dass man in einer Gesellscha­ft, die ohne Werte ist, zum Psychiater geschickt wird“, meinte der Angeklagte. Werde er verurteilt, würde er auch die Frau verklagen. Warum? „Sie hat mich in der Seele geschädigt. Ich hatte viele schlaflose Nächte.“

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SYMBOLFOTO: DPA Eine 52-Jährige aus Norddeutsc­hland hatte einen kurzen Mailkontak­t mit einem Mann aus dem Alb-Donau-Kreis. Der beleidigte sie ansatzlos, weil er nicht gleich ein Foto von ihr bekam.

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