Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Keine Chance für Keime
Wulf Schneider arbeitet als Professor für Krankenhaushygiene
REGENSBURG (dpa) - Wulf Schneider ist Bayerns erster Professor für Krankenhaushygiene. Am Klinikum der Universität Regensburg bildet er Ärzte und Fachpersonal weiter, berät Kliniken in Ostbayern und erforscht multiresistente Keime. Auf seinem Labortisch stapeln sich Petrischalen. „Hier haben wir ein gefürchtetes Exemplar“, sagt Schneider und hält eine Schale hoch. „Das ist MRSA.“Das also ist der Erreger, vor dem sich viele Patienten fürchten. Schneider nicht. Seelenruhig nimmt er den Deckel ab und betrachtet das Muster, das der Keim auf den Nährboden gezeichnet hat. Dann schließt er die Schale wieder, stellt sie auf den Tisch und desinfiziert die Hände.
„MRSA-Infektionen sind nicht so häufig wie viele meinen, und es ist auch nicht so, dass infizierte Patienten zwangsläufig sterben müssen“, sagt Schneider. „Bei MRSA-Infektionen haben wir wirksame Medikamente. Wir haben mindestens fünf Antibiotika, die helfen.“Der 53-Jährige will Patienten beruhigen, ihnen die Angst nehmen.
Das Risiko, sich bei einem Klinikaufenthalt mit Superkeimen zu infizieren, ist laut Schneider gering. Die Häufigkeit nosokomialer Infektionen – so werden Infektionen genannt, die im Zusammenhang eines Klinikaufenthalts auftreten – sei im Vergleich zu früher weitgehend unverändert geblieben. Schneider beruft sich auf Zahlen des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) am Referenzzentrum für Krankenhaushygiene an der Charité in Berlin.
„Die Berichterstattung über Antibiotika und resistente Keime ist in den vergangenen sechs Jahren nur so sehr angestiegen, dass viele den falschen Eindruck gewinnen, die Infektionen durch Krankenhauskeime nehmen zu.“Schneider will aufklären. „Es gibt so viele Mythen über Hygiene“, sagt er. Vermeintlich harmlose Gegenstände wie Kühlschränke und Trinkflaschen seien tatsächlich Keimschleudern.
Den Zwei-Meter-Mann scheint nichts aus der Ruhe zu bringen. „Als Klinikhygieniker ist es auch meine Aufgabe, Ruhe auszustrahlen“, sagt er. Vor allem in Notsituationen. Treten gehäuft Infektionen auf, helfen Schneider und sein Team bei der Ursachenforschung und beraten beim weiteren Vorgehen.
Das Uniklinikum Regensburg sowie zehn externe Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen in Bayern mit insgesamt mehr als 5000 Betten bauen auf Schneiders Rat. „Da ist schon mal Detektivarbeit gefragt, wie sich ein bestimmter Erreger ausbreiten konnte.“
Bessere Ausstattung
Bereits seit 2010 ist Schneider für die Krankenhaushygiene am Uniklinikum Regensburg zuständig, die nun innerhalb des Instituts für Klinische Mikrobiologie und Hygiene zu einem eigenen Bereich aufgewertet worden ist. Mit der neu geschaffenen Professur ist eine verbesserte Ausstattung verbunden, die es ermöglicht, auch die Ausbildung von Ärzten und medizinischem Personal voranzutreiben.
Schneider möchte hierzu ein neues Lehr-Lern-Konzept entwickeln. „Damit die Hygienestandards unserem ärztlichen Nachwuchs schon möglichst von Anfang an in Fleisch und Blut übergehen“, sagt der Professor. Dabei demonstriert er mit fluoreszierendem Desinfektionsmittel und Schwarzlicht, wie viele Keime bei einer schlampig durchgeführten Händedesinfektion auf der Haut verbleiben. Es sind viele.
Das Uniklinikum Regensburg will mittelfristig eine Abteilung für Krankenhaushygiene etablieren und ein „Zentrum für Krankenhaushygiene Ostbayern“aufbauen. Schneider ist der richtige Mann: Der Münsteraner ist Arzt für Hygiene und Umweltmedizin, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie sowie Facharzt für Labormedizin. Bundesweit gibt es acht Professoren für Krankenhaushygiene. Eines bringt den Fachmann dann doch aus der Ruhe: Wenn in Talkshows und Medien der Eindruck erweckt werde, dass das nosokomiale Infektionsrisiko in Kliniken gleich Null sein müsse, sagt er. „Das geht gar nicht.“