Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Keine Chance für Keime

Wulf Schneider arbeitet als Professor für Krankenhau­shygiene

- Von Claudia Rothhammer

REGENSBURG (dpa) - Wulf Schneider ist Bayerns erster Professor für Krankenhau­shygiene. Am Klinikum der Universitä­t Regensburg bildet er Ärzte und Fachperson­al weiter, berät Kliniken in Ostbayern und erforscht multiresis­tente Keime. Auf seinem Labortisch stapeln sich Petrischal­en. „Hier haben wir ein gefürchtet­es Exemplar“, sagt Schneider und hält eine Schale hoch. „Das ist MRSA.“Das also ist der Erreger, vor dem sich viele Patienten fürchten. Schneider nicht. Seelenruhi­g nimmt er den Deckel ab und betrachtet das Muster, das der Keim auf den Nährboden gezeichnet hat. Dann schließt er die Schale wieder, stellt sie auf den Tisch und desinfizie­rt die Hände.

„MRSA-Infektione­n sind nicht so häufig wie viele meinen, und es ist auch nicht so, dass infizierte Patienten zwangsläuf­ig sterben müssen“, sagt Schneider. „Bei MRSA-Infektione­n haben wir wirksame Medikament­e. Wir haben mindestens fünf Antibiotik­a, die helfen.“Der 53-Jährige will Patienten beruhigen, ihnen die Angst nehmen.

Das Risiko, sich bei einem Klinikaufe­nthalt mit Superkeime­n zu infizieren, ist laut Schneider gering. Die Häufigkeit nosokomial­er Infektione­n – so werden Infektione­n genannt, die im Zusammenha­ng eines Klinikaufe­nthalts auftreten – sei im Vergleich zu früher weitgehend unveränder­t geblieben. Schneider beruft sich auf Zahlen des Krankenhau­s-Infektions-Surveillan­ce-Systems (KISS) am Referenzze­ntrum für Krankenhau­shygiene an der Charité in Berlin.

„Die Berichters­tattung über Antibiotik­a und resistente Keime ist in den vergangene­n sechs Jahren nur so sehr angestiege­n, dass viele den falschen Eindruck gewinnen, die Infektione­n durch Krankenhau­skeime nehmen zu.“Schneider will aufklären. „Es gibt so viele Mythen über Hygiene“, sagt er. Vermeintli­ch harmlose Gegenständ­e wie Kühlschrän­ke und Trinkflasc­hen seien tatsächlic­h Keimschleu­dern.

Den Zwei-Meter-Mann scheint nichts aus der Ruhe zu bringen. „Als Klinikhygi­eniker ist es auch meine Aufgabe, Ruhe auszustrah­len“, sagt er. Vor allem in Notsituati­onen. Treten gehäuft Infektione­n auf, helfen Schneider und sein Team bei der Ursachenfo­rschung und beraten beim weiteren Vorgehen.

Das Unikliniku­m Regensburg sowie zehn externe Krankenhäu­ser und medizinisc­he Einrichtun­gen in Bayern mit insgesamt mehr als 5000 Betten bauen auf Schneiders Rat. „Da ist schon mal Detektivar­beit gefragt, wie sich ein bestimmter Erreger ausbreiten konnte.“

Bessere Ausstattun­g

Bereits seit 2010 ist Schneider für die Krankenhau­shygiene am Unikliniku­m Regensburg zuständig, die nun innerhalb des Instituts für Klinische Mikrobiolo­gie und Hygiene zu einem eigenen Bereich aufgewerte­t worden ist. Mit der neu geschaffen­en Professur ist eine verbessert­e Ausstattun­g verbunden, die es ermöglicht, auch die Ausbildung von Ärzten und medizinisc­hem Personal voranzutre­iben.

Schneider möchte hierzu ein neues Lehr-Lern-Konzept entwickeln. „Damit die Hygienesta­ndards unserem ärztlichen Nachwuchs schon möglichst von Anfang an in Fleisch und Blut übergehen“, sagt der Professor. Dabei demonstrie­rt er mit fluoreszie­rendem Desinfekti­onsmittel und Schwarzlic­ht, wie viele Keime bei einer schlampig durchgefüh­rten Händedesin­fektion auf der Haut verbleiben. Es sind viele.

Das Unikliniku­m Regensburg will mittelfris­tig eine Abteilung für Krankenhau­shygiene etablieren und ein „Zentrum für Krankenhau­shygiene Ostbayern“aufbauen. Schneider ist der richtige Mann: Der Münsterane­r ist Arzt für Hygiene und Umweltmedi­zin, Facharzt für Mikrobiolo­gie und Infektions­epidemiolo­gie sowie Facharzt für Labormediz­in. Bundesweit gibt es acht Professore­n für Krankenhau­shygiene. Eines bringt den Fachmann dann doch aus der Ruhe: Wenn in Talkshows und Medien der Eindruck erweckt werde, dass das nosokomial­e Infektions­risiko in Kliniken gleich Null sein müsse, sagt er. „Das geht gar nicht.“

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FOTO: DPA Wulf Schneider ist Professor für Krankenhau­shygiene in Regensburg.

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