Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Zu wenig Saft
Stromnetz laut Verbänden nicht bereit für E-Mobile – Stromknappheit in Bayern und Baden-Württemberg befürchtet
MÜNCHEN (dpa) - Das Stromnetz in den Autoländern Bayern und BadenWürttemberg ist nach Brancheneinschätzung nicht auf die erwartete Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen vorbereitet. Die Energiewirtschaft geht davon aus, dass in Zukunft deutlich höhere Lastspitzen auftreten als bisher, heißt es bei den Verbänden für Energie- und Wasserwirtschaft in den beiden wirtschaftsstarken Bundesländern.
Zugleich geht die in Süddeutschland produzierte Strommenge zurück. Die vier Übertragungsnetzbetreiber erwarten in den Berechnungen für den Netzentwicklungsplan, dass die Stromproduktion im Süden nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks 2022 deutlich unter dem Bedarf liegen wird.
„Wir gehen davon aus, dass der Strombedarf steigt, insbesondere, wenn Bayern ein starker Industriestandort bleibt“, sagte Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Das liege vor allem an zwei Faktoren: elektrisch betriebenen Wärmepumpen und Elektromobilität. Diese würden zu „deutlich höheren Spitzenlasten vor Ort führen als wir sie derzeit haben“, meint auch Torsten Höck, Geschäftsführer des baden-württembergischen Schwesterverbands VFEW.
Sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg deckten Atomkraftwerke bis zur Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 etwa die Hälfte des Strombedarfs. Der Atomstrom wird ab dem Jahreswechsel 2022/23 fehlen. Die geplanten Gleichstrom-Höchstspannungstrassen von Nord- und Ostdeutschland nach Süden aber werden nach allgemeiner Einschätzung frühestens 2025 fertig sein. Laut aktuellem Netzentwicklungsplan wird Süddeutschland künftig zwischen einem Viertel und der Hälfte des Strombedarfs aus anderen Bundesländern oder dem Ausland importieren müssen. In Norddeutschland könnte dagegen die Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan die Nachfrage um mehr als das Doppelte übersteigen.
Für die Belastung des Stromnetzes entscheidend ist die Nachfrage in Spitzenzeiten. „Wenn alle sieben Millionen Autos in Bayern elektrisch fahren würden, hätten wir einen um 20 bis 25 Prozent höheren Strombedarf “, sagt VBEW-Geschäftsführer Fischer.
Auch ein Extremszenario: „Wenn sämtliche bayerischen Haushalte ein Elektroauto hätten und alle gleichzeitig abends auf die induktive Ladeplatte mit elf Kilowatt fahren würden, bräuchten wir eine Leistung von 77 Gigawatt“, sagt der Stromfachmann. Das wäre ein Vielfaches des derzeit höchsten Leistungsbedarfs in Bayern von 12,5 Gigawatt. Das werde so nicht eintreten, sagt Fischer „weil die Akkus größer werden und daher alle Fahrzeuge nicht jeden Abend laden werden“. Das Beispiel zeige aber die Dimension der Aufgabe „Elektromobilität“.
Stromsparen per Anordnung
Für den Normalfall erwarten die Stromfachleute auch nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks Isar II keine Probleme bei der Stromversorgung. „Was passiert, wenn wir extrem tiefe Temperaturen haben, kein Wind weht, die Sonne nicht scheint und gleichzeitig Kraftwerke beziehungsweise Stromleitungen ungeplant ausfallen? Da lege ich nicht meine Hand ins Feuer“, sagt Fischer.
Er hält daher Stromknappheit an manchen Tagen nicht für ausgeschlossen: „Ich erwarte aber keine regelmäßigen Blackouts, aber möglicherweise wird man an manchen Tagen ,anordnen’ müssen, ihr müsst jetzt weniger Strom verbrauchen.“