Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Eine ganze Menge Leben

Fury In The Slaughterh­ouse krönen die Wiblinger Freiluftko­nzerte

- Von Ronald Hinzpeter Blaue Stunde im Wiblinger Klosterhof mit der Band Fury In The Slaughterh­ouse und ihrem Sänger Kai Wingenfeld­er.

ULM - Eigentlich gibt es diese Band ja gar nicht mehr – was wirklich schade ist, denn in Fury In The Slaughterh­ouse steckt noch eine ganze Menge Leben. 2600 Menschen waren zum Abschluss der diesjährig­en Klosterhof-Konzerte nach Ulm-Wiblingen gekommen, um die kurzzeitig Wiederaufe­rstandenen zu feiern. Sie haben es verdient.

Vor neun Jahren hatte sich Hannovers zweitbekan­nteste Band bereits aufgelöst und ist jetzt nach eigenem Bekunden nur für kurze Zeit zusammenge­kommen, um die Gründung vor 30 Jahren mit einer Tour zu feiern. Vielleicht vollziehen die Furys ja auch den Rücktritt vom Rücktritt wie die Scorpions, die sich von ihrer Abschiedst­ournee irgendwann verabschie­deten und einfach weitermach­ten wie bisher.

An den Erfolg von Hannovers größtem Musikexpor­t konnten die Furys zwar nie heranreich­en, doch sie haben im Laufe ihrer langen Karriere gut vier Millionen Platten verkauft und waren Anfang der 90er ziemlich gut im Geschäft, wobei es da durchaus ein kleines Nord-SüdGefälle gab. Oberhalb des Weißwurst-Äquators hatten sie immer ein bisschen mehr Erfolg. Aber die Furys wurden und werden auch im Süden geliebt. Das Publikum im Klosterhof feiert die Band 30 Songs lang.

Die Atmosphäre an diesem endlich mal wieder vom Regen verschonte­n Abend ist locker-kumpelig, denn auch die Musiker wirken so, als würden sie nach dem Auftritt noch mit jedem einzelnen ein Bier trinken wollen. Ja, die Show mit ihren vielen bunten Video-Einspielun­gen ist einer großen Bühne würdig, doch untereinan­der benehmen sich die Sieben eher so, als spielten sie gerade in einem kleinen Keller-Club vor ein paar Dutzend Leuten. Sie veralbern sich gegenseiti­g, witzeln, schmeißen mal eine spontane Maffay-Parodie dazwischen, die nahtlos in eine Lindenberg-Parodie übergeht. Das ist Lichtjahre entfernt von einer in Routine erstarrten Rock-Show. Denen da oben macht das wieder Spaß, nachdem sie sich früher vermutlich genauso leidenscha­ftlich gestritten haben.

Das überträgt sich natürlich auf die Musik. Ihr amerikanis­ch grundierte­r Gitarrenro­ck klingt knarzig, bodenständ­ig, aber mit dem nötigen Biss. Und er lässt sich gut mitsingen, vor allem, wenn die Stücke von Furys erfolgreic­hstem Album „Mono“stammen. Schon an vierter Stelle im Set servieren sie „Radio Orchid“, einen ihrer erfolgreic­hsten und schönsten Songs – das ist mutig.

Aber da kommt ja noch eine ganze Menge mehr, das lautstark in den Nachthimme­l gesungen werden muss, wie „When God Goes Home“oder „Milk and Honey“oder „Bring Me Home“oder der Mandolinen­Schunkler „When I’m Dead And Gone“von der weithin vergessene­n Band McGuinness Flint.

Und noch eine Fremdkompo­sition drehen sie durch den FuryFleisc­hwolf: „Boys Don’t Cry“von The Cure. Das klingt im Akustikgit­arrengewan­d wunderbar locker und luftig und ist plötzlich befreit von jeglicher Weinerlich­keit. Doch am lautesten geht es natürlich beim letzten Stück vor den drei Zugaben zu, bei „Won’t Forget These Days“, das dann exzessiv und lautstark zelebriert wird.

Eines kann man dem Wiblinger Publikum beileibe nicht nachsagen, dass es maulfaul sei. Es macht die Show zu einem echten Feier-Abend. Vielleicht lässt sich die Band von solchen Auftritten ja überzeugen, dass sie Scorpions-artig den Unsinn mit der Trennung einfach wieder sein lassen und weitermach­en.

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FOTO: FELIX OECHSLER

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