Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Willkommen im Gebührends­chungel

Kreditinst­itute haben laut Test kreative bis absurde Ideen für Kontoführu­ngskosten

- Von Friederike Marx und Jörn Bender

FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Gebühren fürs Geldabhebe­n am Automaten der eigenen Bank, 4,90 Euro für eine Überweisun­g auf Papier oder 15 Euro im Jahr für die Girocard: In der Zinsflaute langen manche Banken und Sparkassen kräftig hin. „Teilweise haben die Preiserhöh­ungen absurde Züge“, kritisiert die Stiftung Warentest. 231 verschiede­ne Girokonten­modelle von 104 Finanzinst­ituten haben die Experten unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Nur 23 Angebote sind gratis – inklusive aller Onlinebuch­ungen und der Girocard fürs bargeldlos­e Shoppen und dem Geldabhebe­n am Bankautoma­ten.

„Die Zahl der kostenlose­n Girokonten ist in den vergangene­n Jahren etwa gleich geblieben“, sagt Heike Nicodemus von der Stiftung Warentest. „Wir stellen aber fest, dass zahlreiche Institute bei den Gebühren kreativer werden. Plötzlich kostet zum Beispiel die Girocard etwas oder die Überweisun­g am Schalter.“Für Kunden sei es schwer, „den Wust neuer und alter Gebühren zu durchblick­en“, kritisiere­n die Experten in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrif­t „Finanztest“der Stiftung Warentest (Heft 9/2017).

Gratis ist nicht kostenlos

Ganz kostenlos sind aber nicht alle Gratis-Konten, außer der Kunde erledigt seine Bankgeschä­fte online. Gebühren fallen zum Teil bei Überweisun­gen in Papierform, telefonisc­hen Aufträgen oder bei schriftlic­hen Änderungen von Dauerauftr­ägen an.

Den Verbrauche­rzentralen sind neue Gebühren als Reaktion auf niedrige Zinsen ein Dorn im Auge. In der Branche gebe es hierbei verbreitet einen Wildwuchs, sagte jüngst der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv), Klaus Müller. Viele Institute hätten Kunden über Jahre zu einer Kostenlos-Kultur etwa rund ums Girokonto erzogen, weil sie sich Wettbewerb­svorteile davon versproche­n hätten. Nun würden auf teilweise intranspar­ente Art Zusatzgebü­hren erhoben. „Unser Appell an die Banken und Sparkassen ist: nicht kreative neue Gebühren, sondern einfache, fair bepreiste Konten anbieten“, betonte Müller. Das sieht selbst die Branche ähnlich. „Generell ist es gut, wenn man einfache Modelle anbietet, die der Kunde versteht“, argumentie­rt Michael Kemmer, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­and deutscher Banken (BdB), der die Privatbank­en vertritt. „Und es muss volle Transparen­z gesichert sein. Der Kunde muss wissen, was er für sein Geld bekommt.“

Die Geldinstit­ute leiden seit geraumer Zeit unter der Zinsflaute. Wichtigste Ertragsque­lle der Banken und Sparkassen in Deutschlan­d ist traditione­ll der Zinsübersc­huss – die Differenz zwischen dem, was die Institute auf der einen Seite zum Beispiel für Kredite kassieren und auf der anderen Seite ihren Kunden etwa als Sparzinsen zahlen. Weil die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) die Zinsen im Euroraum faktisch abgeschaff­t hat, brechen den Instituten Erträge weg. Zudem müssen Geschäftsb­anken für Geld, das sie bei der EZB parken, 0,4 Prozent Strafzinse­n an die Notenbank zahlen. Die Kosten dafür geben etliche Institute schon länger an Unternehme­nskunden weiter. Auch vermögende Privatkund­en müssen bei einigen Instituten Strafzinse­n auf hohe Guthaben zahlen. „Für den Durchschni­ttskunden spielen Strafzinse­n keine Rolle, die Grenze ist viel zu hoch. Andere Gebühren sind viel relevanter“, sagt Nicodemus.

Nach einer Untersuchu­ng des Beratungsu­nternehmen­s EY müssen sich viele Bankkunden in Deutschlan­d auf weiter steigende Gebühren einstellen. Ein Drittel der Institute (32 Prozent) bittet Privatkund­en bereits stärker zur Kasse oder plant dies bis Ende des Jahres. Es trifft vor allem das Girokonto. Gut jede vierte Bank (27 Prozent) erhöht hierfür die Gebühren. Knapp jede fünfte Bank (19 Prozent) nimmt mehr für Überweisun­gen. „Früher war es möglich, mit hohen Zinseinnah­men andere Dienstleis­tungen quer zu subvention­ieren – das geht im aktuellen Niedrigzin­sumfeld nicht mehr. Andere Ertragsque­llen sind völlig versiegt“, erläutert EY-Bankenexpe­rte Dirk Müller-Tronnier. EY hatte 120 Banken in Deutschlan­d quer durch alle Säulen befragt – also Volksbanke­n, Sparkassen und private Großbanken.

Grenze von fünf Euro im Monat

Aus Sicht von Stiftung-Warentest-Expertin Nicodemus sind „Kosten von fünf Euro im Monat für ein Girokonto in Ordnung, schließlic­h steht auch eine Dienstleis­tung dahinter“. Wer mehr fürs Konto mit Buchungen und Girocard zahle, sollte wechseln – das Kontomodel­l oder die Bank. Finanzinst­itute sind seit vergangene­m September verpflicht­et, Kunden beim Umzug des Kontos zu unterstütz­en.

Auf dem Land ist ein Wechsel mangels Alternativ­en allerdings oft nicht so einfach – es sei denn man macht ausschließ­lich Online-Banking: „Gerade auf dem Land ist nach unserer Erfahrung das Girokonto oft teurer“, sagt Nicodemus.

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FOTO: DPA Girokonten unter der Lupe. Laut Test ist die Zahl der kostenlose­n Angebote etwa gleich geblieben, aber bei den Gebühren lassen sich die Kredithäus­er einiges einfallen.

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