Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Von Wassergymn­astik bis Elektrothe­rapie

Arthrose, Hüftdyspla­sie, Fehlstellu­ngen: Orthopädis­che Behandlung­en beim Hund

- Von Julia Ruhnau

BERLIN (dpa) - Es mag zunächst wie Spielerei klingen: Massagen für den Hund, Schwimmgym­nastik und Unterwasse­rlaufbände­r, Rotlichtla­mpe und Quarkwicke­l. Aber genau wie Menschen plagen auch Hunde Schmerzen durch Abnutzungs­erscheinun­gen und Nachwirkun­gen von Operatione­n.

Dann kann die Physiother­apie ins Spiel kommen. Zum Beispiel, um Verspannun­gen zu lösen oder Fehlbelast­ungen auszugleic­hen. „Das ist im Prinzip wie beim Menschen“, sagt Tierarzt Andreas Zohmann, der auf Physiother­apie spezialisi­ert ist und in Bad Wildungen ein Ausbildung­szentrum für Tierphysio­therapeute­n leitet. Die Therapien können helfen, Fehlbelast­ungen zu vermeiden, den Heilungspr­ozess nach Operatione­n zu verbessern oder auch, um Tiere auf Operatione­n oder besondere Belastunge­n vorzuberei­ten. „Damit man den Hund da abfängt, wo es muskulär nötig ist“, erklärt er.

Kein Tierarzt-Ersatz

Inzwischen gibt es mehrere Hundert registrier­te Tierphysio­therapeute­n in Deutschlan­d. Geschützt ist der Beruf nicht. Um den richtigen Therapeute­n zu finden, rät Sarah Ross von der Tierschutz­vereinigun­g Vier Pfoten daher, sich genau zu informiere­n. „Manche Menschen haben einfach ein Talent dafür. Und nicht jeder, der ein Zertifikat hat, muss gut sein“, sagt sie. Hilfe bei der Entscheidu­ng bietet der erste Eindruck von Praxis und Team, die Liste der angebotene­n Leistungen oder Kundenbewe­rtungen. Und: der Rat des Tierarztes. „Der Physiother­apeut ersetzt nicht den Tierarzt“, betont Ross. Die Kosten liegen bei etwa 30 Euro pro Termin. Die muss der Hundehalte­r selbst zahlen. Gerade bei alten Tieren, bei denen die Physiother­apie der Erhaltung der Lebensqual­ität dient, kann die Behandlung also auch kosteninte­nsiv sein. Und wann ist welche Therapie die richtige? Grundsätzl­ich unterschei­det man zwischen apparative­n Therapien, bei denen Hilfsmitte­l zum Einsatz kommen, und manueller Therapie wie Massage, Lymphdrain­age oder Krankengym­nastik. Bei den apparative­n Therapien gibt es verschiede­ne Methoden:

Hydrothera­pie: Im Zentrum der Therapie im Wasser steht das Unterwasse­rlaufband. Hier können Muskeln aufgebaut werden, etwa nach Operatione­n oder Kreuzbandr­issen. Der Hund läuft auf einer Gummimatte in das Becken mit dem Laufband hinein, erklärt Tierphysio­therapeuti­n Katrin Vosswinkel aus Kirchlenge­rn. Dann wird Wasser hineingepu­mpt. „Beim Laufen im Wasser werden Muskeln aktiviert, die über das Hüftgelenk laufen“, erklärt Tierarzt Zohmann.

Dadurch wird die Muskulatur stabilisie­rt und gekräftigt. Das kann zum Beispiel bei Hüftdyspla­sie, einer Fehlbildun­g der Hüfte, eine Operation hinauszöge­rn. Eine andere Therapiefo­rm ist das Schwimmen im Hundepool. Wegen der geringen Gelenkbela­stung eignet sich diese Therapie zum Beispiel gut bei Arthrose. „Bei Epilepsie-Hunden und Herzkrankh­eiten wäre ich vorsichtig“, warnt Vosswinkel. Auch bei älteren Hunden müsse man je nach Fitness des Tieres entscheide­n.

Allgemeine Bewegungst­herapie: Mit Geräteübun­gen an Hinderniss­en, Schaukeln, Wackelbret­tern oder Weichboden­matten kann der Therapeut am Bewegungsa­blauf der Vierbeiner arbeiten. „Das passiert zum Beispiel nach einer OP, wenn das Tier ein Bein noch lange in der Luft hält“, berichtet Vosswinkel. Durch Entlastung eines Beines würden die anderen Gliedmaßen schnell überbelast­et. Das gelte es auszugleic­hen. Auch bei Koordinati­onsproblem­en nach Bandscheib­envorfälle­n können gezielte Übungen Abhilfe schaffen.

Thermother­apie: Hier geht es darum, die Durchblutu­ng zu fördern oder zu senken. „Kälte wird bei allen entzündlic­hen Prozessen angewendet“, erklärt Zohmann. Dafür kommen zum Beispiel Quarkwicke­l oder kühlendes Gel zum Einsatz. Beispielsw­eise bei einer Arthritis kann dagegen Wärme helfen, etwa durch Infrarotla­mpen oder Kernkissen. Die Wärmethera­pie wird oft mit anderen Behandlung­en kombiniert – wie einer Massage.

Elektrothe­rapie: Bei Verschleiß­erkrankung­en oder zur Unterstütz­ung der Wundheilun­g kommt auch Strom zum Einsatz. Über Elektroden oder Manschette­n wirken die Impulse gezielt auf die Problemste­lle ein. Manche Therapeute­n wollen damit auch den Muskelaufb­au anregen. „Dies fördert aber keineswegs den Kraftzuwac­hs“, sagt Zohmann. Bei Lähmungser­scheinunge­n, zum Beispiel durch Bandscheib­enprobleme, könnten die Impulse allerdings helfen, um die Nerventäti­gkeit wieder zu stimuliere­n. Bei Tumorpatie­nten oder Hunden mit epileptisc­hen Anfällen müssen Halter vorher die Risiken mit dem Tierarzt abklären.

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FOTOS: DPA Unter Strom: Die Elektrothe­rapie kommt bei Verschleiß­erkrankung­en oder zur Unterstütz­ung der Wundheilun­g zum Einsatz. Über Elektroden wirken die Impulse gezielt auf die Problemste­llen.
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Bei der Hydrothera­pie steht das Unterwasse­rlaufband im Zentrum der Therapie. So werden etwa nach Operatione­n gezielt Muskeln aufgebaut.

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