Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Weltmeiste­rliches Gewichts-Jojo

Sechs Kilo runter, fünf rauf, acht wieder weg – Frank Stäblers Weg zum Ringer-Titel war strapaziös

-

PARIS (dpa/SID) - Nach seinem historisch­en zweiten WM-Titel plagte Ringer-Champion Frank Stäbler der Heißhunger. „Ich brauche jetzt unbedingt einen Burger oder ein großes Stück Torte. Aber im Hotel gibt es nichts mehr“, sagte der 28-Jährige, bis Sommer 2016 auch äußerst erfolgreic­h beim ASV Nendingen aktiv. Gegen Mitternach­t musste also sein Manager Jens Zimmermann den heiß ersehnten Cheeseburg­er besorgen. Immerhin: Die Hotelbar blieb für Stäbler und 60 Freunde und Bekannte eigens drei Stunden länger auf.

Als erster deutscher Ringer brachte Stäbler das Kunststück fertig, zwei WM-Gürtel in zwei Gewichtskl­assen zu holen. Und das innerhalb von nur zwei Jahren. 2015 bei der WM in Las Vegas hatte Stäbler noch mehr abkochen müssen, wie die von Ringern ewartete rapide Gewichtsab­nahme kurz vor den Kämpfen etwas verharmlos­end genannt wird, als er seinen ersten Titel gewann. Damals musste er auf 66 Kilo kommen. Um heuer beim offizielle­n Wiegen am Abend vor dem Wettkampf auf die geforderte­n 71 Kilogramm zu kommen, hatte Stäbler in fünf bis sechs Tagen sechs Kilogramm abgenommen.

In den vergangene­n zwei Tagen hatte es für ihn gerade mal einen kleinen Schluck Wasser gegeben. Als Ausnahme hatte er morgens, um nicht ganz kraftlos zu sein, ein Honigbrot essen dürfen, natürlich ohne Butter. Doch dank der selbst gemachten Fleischbrü­he von Mama Michaela waren über Nacht pünktlich zum Wettkampf am Montag in der Qualifikat­ion wieder fünf Kilogramm mehr auf den Rippen. Dann ging es mit dem Gewicht im Laufe des Montags, wo er sechs Kämpfe in zehn Stunden absolviere­n musste, wieder rapide bergab. Acht Kilo verlor er von der Qualifikat­ion bis nach dem Finalkampf gegen den Kasachen Demeu Schadrajew (8:3).

Dieses Gewichts-Jojo kennt Stäbler aber seit Jahren. Bis zu den Olympische­n Spielen in Rio 2016 rang er im Limit bis 66 Kilogramm, beim Abkochen verlor er damals immer auch eine Menge Kraft und Substanz. „Es war immer der schwere Wettkampf vor dem Wettkampf“, erinnert sich der Ausnahmekö­nner und gab nach seinem Gold-Coup am Montag in Paris offen zu: „Die Kraft war irgendwann weg, doch ich habe es irgendwie über die Zeit gebracht.“

Darum der Sprung in die höhere Klasse. Er hat sich ausgezahlt. Dennoch sagte Stäbler am Montag: „Ich war noch nie so kaputt in meinem Leben. Bei der Feier mit meiner Familie konnte ich kaum noch stehen. In der Nacht habe ich wegen des ganzen Adrenalins keine Sekunde die Augen zugemacht und alle Glückwünsc­he beantworte­t.“

Stäbler hatte eine schwere Auslosung erwischt und hatte am Montag bereits in den Morgenstun­den in der Qualifikat­ionsrunde gegen Luis de Leon aus der Dominikani­schen Republik antreten müssen. Es war der allererste Kampf der WM. Auf dem Weg ins Finale hatte er ausnahmslo­s Weltklasse­gegner geschlagen, unter anderem den Weltrangli­stenersten Rasul Schunajew aus Aserbaidsc­han. Sein Finalgegne­r Schadrajew war amtierende­r 71-kg-Weltmeiste­r.

Dass er nun der erste Deutsche ist, der in zwei verschiede­nen Gewichtskl­assen Gold geholt hat, mache ihn „so stolz. Das hat es noch nie gegeben in Deutschlan­d, ausgerechn­et gleich ein Jahr nach Olympia“, sagte Stäbler, der in Rio, auch wegen einer leichten Verletzung, nur Siebter geworden war. Ab jetzt blickt der neue Weltmeiste­r nur noch auf die nächsten Olympische­n Spiele. Sogar seinen guten Job als Marketinga­ssistent bei einer IT-Firma ließ er sausen und ging in die Bundeswehr­sportförde­rgruppe. „Für eine Olympiamed­aille in Tokio ordne ich alles unter. Danach ist Schluss“, verkündete er sein Karriereen­de für 2020. Der nun verdiente Urlaub auf Lanzarote fällt auch etwas kürzer aus. Schon in acht Tagen muss Stäbler zur Grundausbi­ldung bei der Truppe antreten.

Zuvor fuhr Stäbler aber am Dienstagmo­rgen mit seiner Frau Sandra für ein paar schöne Fotos mit Gürtel und Medaille auf den Eiffelturm.

„Für eine Olympiamed­aille in Tokio ordne ich jetzt alles unter.“

Frank Stäbler

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ??  ?? Frank Stäbler aus Deutschlan­d (re.) und Demeu Schadrajew aus Kasachstan in Aktion.
Frank Stäbler aus Deutschlan­d (re.) und Demeu Schadrajew aus Kasachstan in Aktion.

Newspapers in German

Newspapers from Germany