Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Amtliches „Mangelhaft“für den Dieselgipf­el

Die Schlussfol­gerungen von Umweltmini­sterin Hendricks (SPD) und der Autobranch­e liegen weit auseinande­r

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BERLIN (dpa) - Von „totalem Reinfall“bis „genau richtig“– die Ergebnisse des Dieselgipf­els Anfang August haben Umweltschü­tzer, Politik und Autobranch­e ganz unterschie­dlich bewertet. Das Umweltbund­esamt (UBA) hat nun ausgerechn­et, was Software-Updates für eine bessere Abgasreini­gung und Umtauschpr­ämien für ältere Diesel bringen. Das Ergebnis: In fast 70 Städten dürfte die Belastung mit gesundheit­sschädlich­em Stickoxid zu hoch bleiben. Die Schlussfol­gerungen von Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) und der Autobranch­e liegen weit auseinande­r. Die Deutsche Presse-Agentur beantworte­t nachfolgen­d die wichtigste­n Fragen.

Um welche Beschlüsse des Dieselgipf­els geht es?

Rund 5,3 Millionen neuere Diesel der Abgasnorme­n Euro 5 und 6 sollen eine neue Software bekommen, sodass die Abgase besser gereinigt werden. Dazu zählen aber auch fast 2,5 Millionen Diesel, die VW sowieso zurückrufe­n muss. Zudem bieten Autobauer unterschie­dlich hohe Prämien für die Besitzer älterer Diesel, die ihr Auto verschrott­en lassen und dafür ein neues Modell kaufen.

Was hat das Umweltbund­esamt genau ausgerechn­et?

Die Experten sind davon ausgegange­n, dass Software-Updates den Stickoxid-Ausstoß um 15 bis 25 Prozent senken werden, dass zwischen 3,5 und fünf Millionen Diesel-Besitzer bei den Updates mitmachen und dass jeder vierte ältere Diesel gegen ein neueres Fahrzeug eingetausc­ht wird. All das sei „optimistis­ch“, meint UBA-Chefin Maria Krautzberg­er. Trotzdem dürfte die Stickoxid-Belastung in den betroffene­n Städten um höchstens sechs Prozent sinken. Von rund 90 Städten, in denen der EUGrenzwer­t von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmitt­el gerissen wird, bleiben knapp 70 wohl darüber. In etwa 20 wird die Luft so sauber wie vorgeschri­eben.

Bedeutet das, dass es Fahrverbot­e geben wird – und für wen?

Möglich ist es. Wenn Richter entscheide­n, dass die Gesundheit der Bürger über Diesel-Fahrverbot­e geschützt werden muss, können sie die Kommunen dazu zwingen. Die Deutsche Umwelthilf­e, die wegen der Luftwerte klagt, rechnet mit Fahrverbot­en ab 2018. Auch Hendricks sagt, Fahrverbot­e seien nicht ausgeschlo­ssen – die Autobauer hätten es aber in der Hand. Solche Fahrverbot­e können Hendricks zufolge auch ganz neue Euro-6-Diesel treffen. Nur mit der allerneues­ten Abgasnorm Euro-6d sei man beim Diesel sicher.

Was fordert die Regierung?

Hendricks fordert von der Autoindust­rie, sich nicht weiter gegen Nachrüstun­gen an Motorbaute­ilen zu sperren, und über die Umtauschpr­ämie keine Euro-6-Diesel in den Verkehr zu bringen, die im Alltag auf der Straße mehr Stickoxid ausstoßen als auf dem Prüfstand. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) schließt sich dem vorerst nicht an und lässt seinen Sprecher darauf verweisen, dass die Situation in den Städten unterschie­dlich sei. In „Masterplän­en“für modernen, flüssigen Verkehr stecke „ein großes Potenzial“. Diese Pläne wurden auf dem Dieselgipf­el auch ins Auge gefasst, spielen in der UBARechnun­g aber keine Rolle.

Wie sieht das die Autobranch­e?

Der Branchenve­rband VDA sieht „keinerlei Anlass für Nachjustie­rungen“. Die UBA-Berechnung­en zeigten, dass der Stickoxid-Ausstoß über Software-Updates gesenkt werde. Hardware-Updates dagegen seien „in der Breite technisch nicht umsetzbar“, weil in vielen Fällen gar kein Platz für neue Bauteile sei. Der VDA hat vergangene Woche eine Rechnung präsentier­t, nach der SoftwareUp­dates, Umstiegspr­ämien und eine „natürliche“Bestandser­neuerung den Stickoxid-Ausstoß im gesamten Straßenver­kehr bis 2019 um 12 bis 14 Prozent senken können.

Wie geht es weiter?

Beim Dieselgipf­el wurden vier Arbeitsgru­ppen angekündig­t, die erste davon tagt heute zum Thema „Umstieg öffentlich­er Fahrzeugfl­otten auf emissionsa­rme Mobilität“. Da geht es etwa um Busse und Taxis. Am 4. September trifft sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vertretern der betroffene­n Kommunen, für die „Masterplän­e“für einen gut vernetzten und möglichst sauberen Verkehr entwickelt werden sollen.

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FOTO: DPA Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) fordert von der Autoindust­rie, sich nicht weiter gegen Nachrüstun­gen an Motorbaute­ilen zu sperren.

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