Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Autobahnbetreiber verklagt Bund
Der Betreiber A1 Mobil fordert 640 Millionen Euro – Verkehrsministerium lehnt ab
BERLIN - Die Bundesregierung setzt beim Autobahnbau auf private Firmen. Der Betreiber A1 Mobil droht nun allerdings laut einem Zeitungsbericht in die Insolvenz zu rutschen und verklagt die Bundesrepublik auf 640 Millionen Euro.
In der Theorie klingt alles ganz prima. Der Bund lässt Autobahnen von privaten Firmen ausbauen und betreiben. Dafür erhalten die Unternehmen 30 Jahre lang eine variable oder eine feste Vergütung. Der Staat muss im Gegenzug seinen Haushalt nicht durch hohe Ausgaben für die Infrastruktur belasten. So sollten Öfentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) im Idealfall funktionieren.
Dass das auch daneben gehen kann, zeigt der Fall der A1 zwischen Hamburg und Bremen. Die Betreibergesellschaft A1 mobil GmbH warnt in einem Brief das Verkehrsministerium vor einer existenzbedrohenden Situation, sollte der Bund kein Geld nachschießen. „Den Eingang des Briefes kann ich bestätigen“, sagt Ministeriumssprecher Sebastian Hille.
Die sogenannte Hansalinie wurde von 2008 bis 2012 sechsspurig ausgebaut. Doch die Einnahmen sollen hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein. So blieben geplante Erlöse aus der Lkw-Maut aus. Sie sollten dem privaten Konsortium im Gegenzug für die Baukosten von einer halben Milliarde Euro zufließen. Das Verkehrsministerium lehne Zahlungen ab und sehe das Risiko beim privaten Investor. Ein bestehendes Schlichtungsverfahren drohe zu scheitern.
Das Unternehmen hat einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“zufolge eine Klage über 640 Millionen Euro gegen den Bund eingereicht. Das will das Ministerium weder bestätigen noch dementieren.
Risiko liegt beim Betreiber
Das Konsortium will sich mit Blick auf das laufende Verfahren derzeit nicht zu der Klage äußern. So bleibt die Frage offen, wie diese Forderung entstanden ist.
Klarer ist die Ursache der finanziellen Schwäche des ÖPP-Projektes. A1 Mobil hat die sogenannte Hansalinie auf einer Länge von 73 Kilometern auf sechs Fahrstreifen ausgebaut. Dies geschah zwischen 2008 und 2012. Die Investition sollte sich innerhalb der Laufzeit des Vertrages von 30 Jahren erst amortisieren und dann auch Gewinne für das Konsortium abwerfen.
Die Einnahmen der Gesellschaft kommen aus der Lkw-Maut, die auf diesem Streckenabschnitt erhoben wird. Doch infolge der Finanzkrise und dem anschließenden Konjunktureinbruch verringerte sich das Transportaufkommen stark. Die kalkulierten Einnahmen konnten nicht realisiert werden.
„Der Betreiber fordert eine Änderung der Vergütung“, sagt Hille. Darauf will sich der Bund aber nicht einlassen. „Das Tragen des Verkehrsmengenrisikos hat der Betreiber 2012 noch einmal bestätigt“, stellt der Sprecher fest. Auf welche Vertragsmodalitäten sich A1 mobil beruft, will das Verkehrsministerium nicht sagen. Die Risikoverteilung liege beim Betreiber, heißt es lapidar. Im Falle einer Insolvenz falle der Betrieb an den Bund zurück.
Bei den ÖPP-Projekten, die bis 2009 vereinbart wurden, wurde es so gehalten. Die Privaten bauen und finanzieren vor, der Staat bezahlt dafür je nach Verkehrsaufkommen eine Vergütung. Fahren weniger Transporter auf der Strecke als geplant, verliert der Investor, sind es mehr, gewinnt er. Danach abgeschlossene Verträge sehen eine andere Variante vor. Hier erhält der Betreiber eine Vergütung, die an die Verfügbarkeit des Verkehrsweges gebunden ist.
Auch A 8 wurde privat ausgebaut
Bisher gibt es sechs ÖPP. Insgesamt geht es dabei um Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Euro. Dazu gehören neben der A1 die A8 zwischen Ulm und München, die A 5 zwischen Karlsruhe und Offenburg oder die A9 in Thüringen. Ähnliche Probleme seien von diesen ÖPP nicht bekannt, versichert Hille.
Kritik an den Vergaben gab es immer wieder vom Bundesrechnungshof. Die Kassenprüfer des Bundes vermissen Qualitätsstandards bei der Vergabe von ÖPP. Die ersten Projekte waren laut Rechnungshof fast zwei Milliarden Euro zu teuer.