Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Klimawandel bringt schlechte Zeiten für Fichten mit sich
Wie sich der Schwarzwald an die Wetterveränderungen anpassen könnte
FREIBURG (epd) - Manchmal sieht eine Zeitmaschine anders aus, als man sie sich vorstellt: Jürgen Bauhus hat ein kleines Holzkästchen in den Wald mitgebracht, in dem dünne, geriffelte Stäbchen liegen, ebenfalls aus Holz. Es sind Probebohrungen aus Baumstämmen – jeweils zwei von Douglasie, Weißtanne und Fichte. Diese Nadelbaumarten dominieren im Freiburger Stadtwald. „Die Riffelung ist ein Teil der Jahresringe. Und wenn wir uns die Riffelung der Jahre 1976 und 2003 ansehen, dann merkt man bei allen drei Baumarten, dass sie dünner ist“, sagt Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg.
Ein dünnerer Jahresring bedeutet, dass der Baum in jener Zeit weniger stark gewachsen ist als üblich. Es hat seinen Grund, dass Bauhus und seine Kollegen einen genauen Blick auf die Jahresringe dieser beiden Jahre geworfen haben: 1976 und 2003, das waren Jahre mit extrem warmen, trockenen Sommern – Jahre also, wie sie Klimaforscher in Zukunft viel öfter erwarten. Extreme Dürren werden nach Einschätzung der Forscher künftig zu den größten Herausforderungen der Waldwirtschaft gehören.
„Wir wollten wissen, welche Baum-arten am besten mit diesen Bedingungen zurechtkommen“, sagt Bauhus; und zwar nicht allein im Freiburger Stadtwald, sondern im gesamten Schwarzwald, zu dem der Stadtwald gehört. Dafür untersuchten die Wissenschaftler mehr als 800 Bäume in unterschiedlichen Höhenlagen. Die Prognose: Das Gesicht der Region könnte sich in den kommenden Jahrzehnten stark verändern. Der Grund dafür offenbart sich, wenn man sich das Kästchen mit den Holzproben etwas genauer ansieht: Zwar wachsen alle untersuchten Baumarten unter Trockenheit schlechter – aber während bei der Fichte der Jahresring extrem dünn ist, sieht er bei der einheimischen Weißtanne schon besser aus. Bei der aus Amerika eingeführten Douglasie ist er noch ein bisschen stärker ausgeprägt.
Fichte kam früher seltener vor
Allerdings liegt der Bestand an Douglasien Bauhus zufolge derzeit bei nur zwei bis drei Prozent der Waldfläche. Tannen füllen rund zehn Prozent aus – und Fichten mehr als 40. Werde der Wald auf eine Weise bewirtschaftet, die wärmeren Verhältnissen Rechnung trägt, müsste der Anteil der mächtigen Douglasien bei 20 Prozent oder mehr liegen, sagt Bauhus: „Der Schwarzwald könnte in Zukunft insgesamt ein bisschen höher werden.“
Das alles gilt den Forschern zufolge wohlgemerkt für einen Wald, der vom Menschen durchdacht bewirtschaftet wird, und aus dem seine Besitzer Holz für den Verkauf holen wollen. Denn die Douglasie sei zwar am widerstandsfähigsten gegen Trockenheit – vertrage Schatten aber nur durchschnittlich gut. Und da jeder Waldbaum klein anfängt und zunächst im Schatten wächst, kann der empfohlene Douglasien-Anteil nur erreicht werden, wenn der Waldeigentümer das so will.
Aber was würde passieren, wenn der Mensch sich viel stärker aus der Schwarzwald-Bewirtschaftung heraushalten würde? Trotz Klimawandel würde er dann wieder mehr seinem ursprünglichen Zustand ähneln, sagt Martin Klatt, Artenschutzexperte beim NABU Baden-Württemberg in Stuttgart.
Das liege vor allem daran, dass die heute weit verbreitete Fichte früher einmal viel seltener vorkam: „Der ursprüngliche Schwarzwald war vor allem durch Tannen und Buchen geprägt. Beide Baumarten verfügen über eine höhere ökologische Anpassungsfähigkeit als die Fichte, die mit Hitze und Trockenheit sicher schlecht zurechtkommen wird“, sagt er. Seine Erwartung: Buche, Tanne und Kiefer könnten den zukünftigen Schwarzwald prägen. Wenn man sie lässt.